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Überfall im Hafen

Überfall im Hafen

Titel: Überfall im Hafen
Autoren: Stefan Wolf
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Denn Oma Sauerlich war in
erster Linie gütig.
    „So eine Freude, daß ich euch
kennenlerne!“ meinte sie immer wieder — und drückte mit dem rechten Arm mal
Gaby, mal Karl, mal Tim an sich.
    Den linken hatte sie um Klößchen
gelegt.
    Es sah nicht so aus, als würde sie ihn
in nächster Zeit wieder freigeben.
    Er, ihr rechtmäßiger Enkel, strahlte.
Wo die Schokolade war, hatte sie ihm gleich zugeflüstert.
    Auch der Sauerlich, stellte Tim fest,
ist seiner Mutter herzlich verbunden. Man merkt es. Er kommt nicht
pflichtschuldig her, sondern gern. Ist ihm ein Bedürfnis.
    Klößchen hatte nicht übertrieben. In
der Villa war alles vom Feinsten: Gemälde, Gobelins ( Wandteppiche ),
Statuen, chinesische Vasen, Orientteppiche.
    Im sogenannten Kleinen Salon waren
Erfrischungen vorbereitet: Limonaden, eisgekühlter Tee, Gebäck.
    Doch zunächst wurden Koffer und Taschen
auf die Zimmer gebracht. Vier Gästezimmer gab’s im Haus. Das größte verfügte
über Doppelbett und zusätzliche Liege. Es nahm die Jungs auf. Gaby schlief
nebenan, Hermann Sauerlich am Ende des Flurs — in seinem ehemaligen
Jugendzimmer. Dort hingen noch dieselben Bilder wie vor 40 Jahren.
    Später, im Kleinen Salon, bestritten
Oma und Sohn Hermann das Gespräch.
    Klößchen widmete sich dem Gebäck.
    Gaby und Karl hörten aus Höflichkeit
zu. Sagten ihnen doch die Namen nichts, die genannt wurden.
    Tim hörte aufmerksam zu. Ihm sagten die
Namen ebensowenig. Aber interessant, dachte er, ist grundsätzlich alles auf
dieser Welt. Es kommt nur auf den richtigen Blickwinkel an. Wer den nicht hat,
hängt eben geistig total durch — und braucht den groben Anreiz, den Holzhammer.
    „...hoffe ich doch stark“, sagte
Hermann, „daß ich meine alten Freunde aus dem Jacht-Club antreffe. Du weißt
schon, Mutter.“
    „Natürlich“, lächelte sie, „du meinst
Theo Leihböckel, den Spaßvogel, Jürgen Zacharetzki, der immer zu spät kam, und
Detlef von Senkl. Was war mit dem eigentlich?“
    „Er hat immer rechts und links
verwechselt, noch als 20jähriger. Jedenfalls konnte er nie backbord und
steuerbord auseinander halten.“
    „Kannst du’s?“
    „Klar, backbord ist rechts — von hinten
gesehen.“
    In die Stille sagte Karl: „Ich will ja
nicht vorlaut sein, Herr Sauerlich. Mir kommt es auch nicht zu, Ihre
Entscheidung zu berichtigen. Aber ich glaube sicher, als Kapitän würden Sie
bestimmt immer in die vollkommen falsche Richtung segeln.“ Die Oma lachte.
„Stimmt. Karl hat recht. Es ist umgekehrt, Hermann. Schäm dich!“
    Ihr Sohn grinste. „Es ist so lange her,
daß ich das letzte Mal Skipper ( Schiffseigner ) war.“
    „Eine faule Entschuldigung.“
    „Hast du mal was von Achim Heldt
gehört?“ wollte Hermann wissen. „Der war früher ein durchtriebener Bursche. Ich
hoffe, er hat sich gebessert.“
    „Tja, wie man’s nimmt.“ Sie nippte an
ihrem Tee. „Christian Verden, der Sohn vom Firmengründer Verden — du erinnerst
dich? — erzählte mir neulich, daß Heldt jetzt so eine Art
Arzneimittel-Hersteller ist. Das heißt, er selbst nennt es Hausmittel.
Fitto-Top — hilft gegen alles. Manchmal sehe ich die Anzeige in der Zeitung.
Ich glaube, was er da treibt, grenzt an Betrug.“
    „Das würde zu ihm passen. Heldt
probiert alles — solange es geht. Wenn man ihm auf die Finger klopft, fängt er
was Neues an.“ Für einen Moment blieb Hermann in Gedanken versunken. Dann: „Und
wie geht’s mit den Nachbarn, Mutter?“
    „Ach, mit Dr. Weißberger verstehe ich
mich gut. Er ist nun schon elf Jahre Witwer. Insgesamt sieben Heiratsanträge
hat er mir gemacht. Er gibt nicht auf.“
    „Du bleibst hoffentlich standhaft.“
Hermann lächelte.
    „Bis jetzt ja. Aber ich bin erst 78.
Wer weiß, was die Zukunft bringt.“
    Munter, munter! dachte Tim.
    Im selben Augenblick begann die Sirene
zu heulen.
    ...wuuuiii ... wuuuiii ... wuuuiii —
ein an- und abschwellender Lärm, der die Zahnnerven reizte.
    Tim saß sofort kerzengerade.
    Polizei oder Notarzt? Nein, das klang
anders. Auch Sirenenprobe für den Fall eines Krieges oder einer
Kernkraftwerk-Explosion hatte nicht diesen privaten, persönlichen Ton.
    Privat! Das war’s. Eine Alarmanlage.
    „O Gott!“ rief Oma Sauerlich. „Ich
glaube, beim Weißberger wird eingebrochen. Und er ist doch verreist — vorhin.“

    Tim sprang auf die Füße und war schon
an der Tür.
    „Ich sehe mal nach“, rief er.

3. Tote Krähe nebenan
     
    Die Nachmittagssonne vergoldete, was
sich vergolden
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