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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
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gehauen
zu werden?«
    »Mrs. Shandy und ich werden diese
Aufgabe gern übernehmen«, versprach Sieglinde, und ihre fjordblauen Augen
glänzten beim Gedanken an diese Aussicht, wie es die Augen jeder Frau eines
rechtschaffenen College-Präsidenten tun würden, und Helen versprach ebenfalls
hoch und heilig, ihm beizustehen, wie es jede rechtschaffene Assistentin der
Sammlung Buggins tun würde.
    »Ich will Ihnen aber keine Umstände
machen«, wandte der alte Herr ein. »Ich hab’ bloß so ‘ne Ahnung, daß Nutie der
Schleimer mich — Jessas, Professor, Sie glauben doch nich’ etwa, daß der — «
    »Darauf aus ist, mit seinen fetten
Pfoten nach Ihrem alten Küchenschränkchen zu grabschen? Horsefall, ich habe
bereits so viel Unangenehmes über diese Laus gedacht, daß ich ihm alles
zutraue. Glauben Sie, daß es möglich ist, Ihre Tante für ein paar Minuten von
Doktor Svenson fortzulocken, so daß ich Zeit genug habe, ihr ein paar Fragen zu
stellen?«
    »Tun Sie das bitte«, sagte Sieglinde,
»und während Sie mit Miss Horsefall reden, werde ich ein paar Worte mit Onkel
Sven wechseln. In der Zwischenzeit, Mr. Horsefall, könnten Sie vielleicht Mrs.
Shandy nach oben führen, so daß sie eine klare Vorstellung davon bekommt, was
sich in den Schlafzimmern befindet?«
    »Was da drin is’, is’
höchs’wahrscheinlich Tante Hilda un’ Onkel Sven«, kicherte Henny. »Die verstehn
sich offenbar ziemlich gut.«
    Aber als ihn aus Sieglindes Augen ein
eisiger, durchbohrender Blick traf, murmelte er nur: »Vielleicht is’ gut auch
nich’ das richt’ge Wort. Ich geh’ sie mal suchen. Tante Hilda! Tante Hilda,
Professor Shandy will mit dir reden!«
    Sieglinde und Helen folgten ihm in die
Diele. Shandy wartete in der Küche, bis Miss Horsefall mit knisternder
gestärkter Schürze erschien, jedes Haar an seinem Platz und das Kleid makellos
zugeknöpft. Sie hatte zu viel Erfahrung in diesen Dingen, um sich zweimal
erwischen zu lassen.
    »Sie suchen mich, Professor?«
    »Richtig. Ich hätte gerne erfahren, ob
Sie irgend etwas über Belial Buggins wissen.«
    Sie schnaubte. »Un’ ob ich verdammt was
über den weiß. War doch mein eigner Großvater, hab’ ich jedenfalls immer
angenommen. Na egal. Ich kann mich dran erinnern, wie ich ihm aufm Schoß
gesessen hab’ un’ mit seiner goldnen Uhr un’ der Uhrkette gespielt hab’, als
ich noch so klein war, daß mir die Heuschrecken bis anne Knie reichten. Hat
immer Gedichte aufgesagt un’ Geschichten erzählt un’ gelacht, bis er fast
geplatzt is’, wenn meine Mutter Theater gemacht hat, daß ich zu jung wär’, um
so ‘ne Sachen zu hören.«
    »Was waren denn das für Sachen, Miss
Horsefall?«
    »Wie zum Teufel kann ich ‘n das noch
wissen? Is’ doch schon 100 Jahr’ her. Ich weiß bloß noch, wie er mich auf die
Knie gesetzt hat un’ mir die Uhr zum Spielen gegeben hat, weil er gesagt hat,
hübsche Mädchen hätten immer gern Gold inne Finger, was verdammt wahr is’, bloß
daß ich nie viel davon gekriegt hab’, das können Sie glauben.«
    »Eh, vielleicht wird sich das Blatt
jetzt für Sie wenden.«
    »Dann muß es sich aber verdammt flott
wenden.«
    Darauf wußte Shandy nichts zu
antworten. Er sagte nur: »Was ist mit der goldenen Uhr passiert, als Belial
starb?«
    »Ich nehm’ an, die ham die Buggins
gekriegt. Damals gab’s allerdings nich’ mehr viele Buggins, jedenfalls nich’ in
Balaclava County. Der alte Balaclava Buggins hat all sein Geld verbraucht, weil
er das College gegründet hat, wo Sie jetz’ arbeiten, un’ die meisten andren
Buggins ham sich woanders hin abgesetzt, weil sie’s nich’ ertragen konnten, daß
er für so ‘n Schulkram alles rausschmeißt, wo er’s doch ihnen hätt’ überlassen
sollen. Belial war ‘n Sohn von Balaclavas Bruder Bartleby, er un’ sein Bruder
Bedivere. Der Zweig hatte immer ‘n komischen Hang zu Büchern un’ Gedichten un’
so was. Ich weiß noch, daß Bedivere sogar ‘ne Schullehrerin geheiratet hat.
Hatten aber nie Kinder, soweit ich weiß, jedenfalls keine, die groß geworden
sind. Nehm’ an, die hatte schon genug von Bälgern, als sie’s geschafft hat, endlich
vor Anker zu gehen. Un’ daß es Kinder von Belial gab, ham die Mütter nie
zugegeben.«
    »Belial hat demnach nie geheiratet?«
    »Hat der nich’ nötig gehabt. Oh, der
war ‘n schönes Mannsbild! ‘nen langen Schneuzer bis zum Gürtel un’ ‘nen
schwarzen Gehrock aus Wolle. Is’ bei ‘nem Zugunglück umgekommen, in dem Jahr,
als ich
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