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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Rinpoches.

    S.H. Karmapa segnet Kalu Rinpoche

    In Aix-en-Provence wurden einige Mönche und Nonnen ordiniert. Das Zentrum blühte zunächst auf, fiel aber in den frühen 80er Jahren auseinander, als ein launischer amerikanischer Lehrer die Gruppe verunsicherte. Ihre ganze Einstellung machte sie von Grund auf verwundbar: Sie hatten sich zu sehr auf die Tugend im Buddhismus versteift und entwickelten zu wenig Freude. Das gibt kaum Widerstandskraft und Ausdauer, und die spannenden Leute bleiben fern.

    Die Pyrenäen waren nicht nur schön, wir lernten dort auch einiges über Christentum und Buddhismus. Wir erhielten eine Einladung zu einem “Super-Bischof”. Dieser hatte sich mit dem Papst zerstritten und wollte deswegen den Buddhisten ein Stück Land zukommen lassen. Kalu Rinpoche konnte jedoch dieses Angebot nicht verwenden, und ein anderes Gebiet, das für ein Zentrum geeignet gewesen wäre, wollte der Monseigneur nicht hergeben. Die beiden älteren Herren zusammen zu erleben, jeder das Ergebnis lebenslanger Arbeit auf seinem Weg, war lehrreicher als dicke Bücher über Philosophie: auf der einen Seite das christliche “Hohe Ich”, bei dem alles höchstpersönlich auf die Goldwaage gelegt wird, und auf der anderen Seite das unmittelbare, mühelose “Verweilen in dem, was ist” des Buddhismus. Hier sah man beides in voller Blüte nebeneinander.

    Kalu Rinpoche und der Bischof

    Dem Psychologen Schnetzler, der bei Grenoble wohnte, galt unser nächster Besuch. Kalu Rinpoches Lamas nannten mit einer für uns sehr ungewohnten Denkweise die tief psychotischen Patienten im Krankenhaus Schnetzlers “Schüler”.
    Kalu Rinpoche wollte bhutanesische Lamas in Paris, Plaige und Nizza zurücklassen. Obwohl er ständig jedem riet, den Weg des Zölibats zu gehen, sprach er hier ganz anders über Sexualität: Wäre man fähig, sie in der Meditation zu steuern und richtig einzusetzen, sei es möglich, die Erleuchtung in einem Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr zu erreichen.
    In einem Weinkeller bei Nizza erlebte ich etwas Außergewöhnliches. Während ich für eine Gruppe reicher Unterstützer des berühmten Pawo Rinpoche eine 16. Karmapa-Meditation leitete, hing plötzlich ein Drache vor mir im Raum . Er war sehr zornig, etwa zwei Meter lang, in jeder Einzelheit klar zu erkennen und durchsichtig. Er griff an, indem er Rauchbälle auf mich blies. Die Lage war vielschichtig. Mein Französisch war nicht das Beste, und vor so wichtigen Leuten durfte ich keine Fehler machen. Ein Rauchball hatte schon meine Kehle gestreift und meine Stimme etwas angekratzt. Am wichtigsten aber war, dass ein Vertreter Buddhas nicht verlieren durfte. Wird die Lehre angegriffen, so kämpfe ich, bis die Gefahr beseitigt ist. Ohne die anderen merken zu lassen, was vor sich ging, rammte ich also auf der Bewusstseinsebene, auf der die Begegnung zwischen mir und dem Drachen stattfand, einen Hagel Haumesser von Schwarzer Mantel und dreieckige rituelle Diamantdolche in den Drachen. Ich machte aus seinem langen Körper ein Nadelkissen, bis er sich fauchend in die Felswand zurückzog. Erst später erkannte ich, dass es mein Fehler gewesen war. Ich hatte einen fremden Kraftkreis in sein Gebiet gebracht, ohne ihn darauf vorbereitet zu haben. Wie jedes Mal, wenn ich das Glück habe, Liebevolle Augen, Schwarzer Mantel oder andere Buddhas zu sehen, sah auch dieser Drache genau so aus, wie er sollte. Er war wie aus einem chinesischen Bilderbuch entsprungen.

    Anfang September 1974 ging unsere Fahrt weiter nach England. Der englische Linksverkehr mit seinen kleinen Straßen war gemütlich. Allerdings musste ich beim Überholen aufpassen: Der Beifahrer, den ich dem Gegenverkehr aussetzte, war sehr kostbar. Kalu Rinpoche entspannte sich richtig in England, vielleicht, weil ihm so vieles aus Indien vertraut war. Das buddhistische Interesse der Menschen war aber nicht besonders groß. Sie hatten schon früher Herren in Röcken gesehen und von Wiedergeburt gehört. So ließ der Lehrer seinen zeitlosen Verwirklicher-Geist frei spielen und hatte einfach Spaß. Ich werde niemals vergessen, wie er mir einmal im Vorbeigehen auf den Rücken klatschte, während ich pinkelte. Ich war nahe daran, meine Hose nass zu machen, und er fiel fast um vor Lachen.
    London war von Kalu Rinpoche nicht sonderlich überwältigt. In großen Städten ist es allgemein oft schwierig, buddhistische Zentren zu halten. Dort denken die Menschen entweder, sie hätten sowieso schon alles,
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