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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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oder sie haben aufgegeben, es anzustreben.
    Das Zentrum von Lama Chime, “Kham House”, liegt auf einem unbewachsenen Feld außerhalb eines idyllischen südenglischen Dorfes. Dort bestanden die Einwohner darauf, die Autos beim Starten anzuschieben, um die Ruhe des Klosters nicht zu stören. Auch sonst gab es genügend Gesetze und Einschränkungen. Wir blieben jedoch nicht lange.
    Der nächste Halt war in Manchester, wo Kalu Rinpoche mitten in seinem Vortrag ankündigte, dass ich jetzt weiter sprechen würde. Ich war zutiefst dankbar. Es war eine wirkliche Einführung in seinen Bewusstseinsstrom. Während ich redete, musste ich jedoch die Augen von einer Stelle mitten im Saal fernhalten, an der ein gewöhnlich aussehender Mann giftgrün leuchtete. Ich kann den Fall bis heute nicht erklären, aber hätte ich mich davon ablenken lassen, wäre aus dem Vortrag sicher nicht viel geworden.

    Akong Tulku, der Lehrer von “Samye Ling”, einem Landzentrum in Schottland, war schon schottisch-tibetisch geworden, ebenso wie die gediegenen Gebäude und die ökonomische Einstellung des Zentrums. Nur das Wetter war rein schottisch: Wind und Regen. Heute hat Akong übrigens die zusätzliche Ehre, einen 1992 von den kommunistischen Chinesen erworbenen Titel “Lebender Buddha” zu tragen, über dessen Grund man lieber nicht nachdenkt: Was muss man leisten, um von den Unterdrückern des eigenen Volkes eine solche Anerkennung zu erhalten?
    Kalu Rinpoche hatte in “Samye Ling” ein umfassendes Programm, und ich lehrte in den Städten Edinburgh und Glasgow, die jede auf ihre Weise an die armen fünfziger Jahre erinnerten. England bezahlte teuer für die früheren Kolonien; die neue Unterklasse aus Übersee war allgegenwärtig. Kalu Rinpoche blieb drei Wochen, und wir hatten genug Zeit, um in einer Hütte beim Kloster zu meditieren. Wir lernten mehrere Leute kennen, die den Anfang dieser Stelle miterlebt hatten. Von den Sehenswürdigkeiten der Gegend zeigten sie uns unter anderem einen Stall, in dem Trungpa Tulku sich lange vor der Polizei versteckt hatte, bevor er nach Amerika entkommen war. Trungpa war damals schlank, schüchtern, und trug chinesischen Seidenbrokat. Die Polizei hatte gerade den Drogenverbrauch des Klosters unter die Lupe genommen. Viele Geschehnisse sind inzwischen Legende geworden, so zum Beispiel, dass er einmal betrunken über eine Brücke direkt in einen Scherzartikelladen hineingefahren war. Man sagt, er hätte sich nicht entscheiden können, weil rechts seine Freundin wohnte und links sein Kloster lag. Die ganze Geschichte war jedoch nicht so lustig, wie sie klingt. Trungpa Tulku wurde bei dem Unfall schwer verletzt und ist seitdem teilweise gelähmt.
    Wir waren ihm nur einmal begegnet, im September 1973 in Stockholm. Unsere Bekannten vom Völkerkundemuseum ließen ihn für einen Film über das Leben Milarepas ihre erstklassigen Rollbilder verwenden. Die Begegnung mit Trungpa Tulku hinterließ einen bleibenden Eindruck. Einen berühmten Rinpoche im Maßanzug bei einer Luxusmahlzeit mit Jahrgangsweinen zu sehen, war etwas Neues. Wir waren seit Jahren gewohnt, Lehrern in roten Gewändern, nüchtern und arm, zu begegnen. Die Lage erforderte mehr Umstellung, als unser Geist auf Anhieb bewältigen konnte. Die Hingabe blieb irgendwo auf dem Weg stecken; doch wir schafften es, höflich zu sein.

    Ende September sollte Kalu Rinpoche weiter nach Kanada reisen, wo er 1971/72 schon einmal ein ganzes Jahr unfreiwillig verbracht hatte. Damals gab er seinem reichen Gönner unerwünschte Ratschläge für dessen Nachtleben, woraufhin ihm dieser das Geld für die Rückreise strich. Außer Gyaltsen nahm Kalu Rinpoche diesmal Trinley Drugpa mit, den beliebtesten seiner Schüler. Als wir im Flughafen warteten, gab es mehrere gute Zeichen für unsere zukünftige Arbeit. Die Tibeter saßen plaudernd um einen Tisch, auf dem ein in Seide gehülltes Päckchen lag, das wie ein buddhistischer Text aussah. Aus alter Gewohnheit berührte ich kurz meinen Kopf damit, um die gute Energie aufzunehmen. Die Tibeter fragten mich, ob es sich gut anfühle. Einige Tage zuvor hatte ich bei ihnen Reliquien gesehen, unter denen Rippenstücke mit deutlichen Mantrasilben von der Hauptfrau des 15. Karmapa gewesen waren. Ich antwortete, dass es sich wie ein guter Segen anfühle, und alle lachten, denn in dem Seidentuch waren englische Pfundnoten, die damals größer waren als heute. “Wenn du sogar von Geld Segen aufnimmst, kann nichts schief gehen”,
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