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Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte

Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte

Titel: Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
Autoren: Helmut Werner
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die eine Machtposition der Frauen in Staat und Gesellschaft beschreiben. Die griechischen Quellen lassen unerwähnt, ob die Männer, wie dies bei einer von Frauen geprägten Gesellschaft üblich ist, ihre Heimat bzw. ihr Elternhaus verlassen und zu ihren Ehegattinnen ziehen müssen. Diese als Matrilokalität bezeichnete Sitte und die schon erwähnte Matrilinearität können so weit durch zusätzliche Vorrechte der Frauen gesteigert werden, dass der Eindruck entsteht, die gesamte Gesellschaft ist auf die Frauen ausgerichtet. Da die Struktur auf die Frauen ausgerichtet ist und sie somit im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, spricht man auch von einer Matrifokalität. In einer solchen Gesellschaft ist es auch durchaus möglich, dass eine Frau als Königin die Trägerin der politischen Macht ist, sich aber von den Regierungsfunktionen zurückzieht. Sie hat eine Schar vertrauter Männer um sich, die an ihrer Stelle regieren.
    Neben den genaueren Unterscheidungen der möglichen Formen weiblicher Vormacht in Staat und Gesellschaft versuchte man Bachofens Deutung der Gesellschaft der Lykier durch die Ergebnisse der Altertumswissenschaft zu widerlegen. Anhand der Inschriften, die in Lykien gefunden wurden,konnte der Nachweis erbracht werden, dass in diesem Gebiet das weibliche Namensrecht und die Matrilokalität stark ausgeprägt waren. Diese weibliche Dominanz findet sich nicht nur bei den Lykiern, sondern auch bei ihren unmittelbaren Nachbarn an der kleinasiatischen Küste, den Lydern. Im Gegensatz zu den lykischen Inschriften, die alle in einer hethitischen Sprache abgefasst sind, finden sich bei den Lydern zahlreiche Zeugnisse aus der römischen Zeit. Sie bestätigen, dass zwar weniger Frauen als Männer politische Ämter innehatten, aber dennoch eine Reihe von Frauen in auffälliger Weise eine wichtige Rolle in Staat und Gesellschaft spielten. Diese Rolle der Frauen in Lydien wurde lange Zeit verkannt, weil man irrtümlich glaubte, sie hätten nur unwichtige religiöse Ämter bekleidet. Tatsächlich hatten sie in nicht unerheblicher Zahl hohe Staatsämter inne, die man als die höchsten Würden in den kleinasiatischen Städten bezeichnen könnte.
    Da Bachofens Gegner diese Erscheinung nicht als Überrest der einstigen herausragenden Stellung der Frau in diesen Gebieten deuten wollten, verwiesen sie darauf, dass offenbar die adligen Familien wegen des Mangels an geeigneten männlichen Kandidaten auf ihre Töchter zurückgreifen mussten. Diese Zwangslage der Führungsschicht in Lydien ließe sich mit ähnlichen Problemen der alten herrschenden Familien in den Ländern der Dritten Welt vergleichen, deren Töchter notgedrungen das Regierungsamt übernehmen mussten, damit ihre Familie nicht die politische Macht verliert.
    Bachofen, dem seine Gegner vorwarfen, er habe durch die Annahme eines ursprünglichen Mutterrechts oder der Gynäkokratie die Geschichte durch eine „romantische Weiberzentrierung erotisiert“, unterscheidet in diesem Kulturzustandverschiedenen Stufen und Perioden. Nach Bachofen haben sich zunächst die physisch unterlegenen Frauen im wirtschaftlichen Bereich gegen die Männer durchgesetzt. Mit ihrem jeweiligen Geschlechtspartner gingen die Frauen keine Ehe ein, sondern mehrere Frauen lebten mit mehreren Männern zusammen. Für diesen Urzustand des Mutterrechts benutzt Bachofen die Bezeichnung Hetärismus. Da wegen des regellosen Zusammenlebens die Abstammung nicht eindeutig zu bestimmen war, erhielten die Kinder den Namen ihrer Mutter. Diese freie Geschlechtergemeinschaft war auch mit gemeinsamem Besitz verbunden. Nach Bachofens Ansicht war diese Gruppenehe eine versteckte Form des Missbrauchs der Frauen durch die Männer. Dagegen setzten sich die Frauen zur Wehr und führten regelrechte Kriege gegen die Männer. Diese kriegerischen und wehrhaften Frauen, in deren Reihen die Männer keinen Platz hatten, sind die berühmten Amazonen. Wenn diese Amazonen ein Gebiet erobert hatten, ließen sie sich nieder und gründeten Städte. Dieser dritte und letzte Zustand des Mutterrechts vor dem Wechsel zur Herrschaft der Männer ist die geordnete Gynäkokratie oder das eigentliche Mutterrecht, das in den historischen Quellen beschrieben wird. Kennzeichnend für diesen Zustand ist die monogame Ehe, in der eine Frau mit einem Mann zusammenlebt. Aber Bachofen glaubt, dass wie bei den Lykiern in dieser Phase die Frauen herrschten. Diese letzte Form des Mutterrechts wurde allmählich durch die Herrschaft der Männer
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