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Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte

Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte

Titel: Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
Autoren: Helmut Werner
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„zweite Omphale“.
    Es vergingen fast zweitausend Jahre, bis ein Gelehrter aus der Schweiz die zahlreichen Zeugnisse von der einstigen dominierenden Rolle der Frau umfassend untersuchte und historisch einzuordnen versuchte. Der Jurist Johann Jakob Bachofen (1815–1887) veröffentlichte 1861 ein Aufsehen erregendes Buch mit dem Titel „Das Mutterrecht“, der durchden Untertitel „Eine Untersuchung über die Gynäkokratie der alten Welt und ihrer religiösen und rechtlichen Natur“ näher erläutert wird. In diesem heute schwer verständlichen Werk versucht Bachofen den Nachweis zu erbringen, dass der heutigen Vorherrschaft des Mannes, dem Patriarchat, eine in allen Kulturen verbreitete Frauenherrschaft, die er als das „Mutterrecht“ oder mit dem griechischen Namen Gynäkokratie bezeichnet, voranging. In den sich anschließenden Fachdiskussionen wurde für eine solche von den Frauen dominierte Gesellschaft die Bezeichnung „Matriarchat“ üblich. Bei den Fachkollegen Bachofens fand diese Arbeit wenig Beifall, da sie von den üblichen Methoden der Geschichtswissenschaft abwich. Bachofen nämlich entwickelt seine Theorie weniger aus den spärlichen Mitteilungen der griechischen Historiker, sondern zieht die griechischen Mythen heran, denen er den Rang von historischen Quellen einräumt. Für ihn steht fest, dass die Mythen eine Erinnerung an reale geschichtliche Vorgänge enthalten. Diese Erinnerung ist ein getreuer Ausdruck der Lebensgesetze der damaligen Zeit. Die zeitgenössische Wissenschaft nahm diese Einschätzung der Mythen mit Kopfschütteln zur Kenntnis und bezeichnete den Autor des „Mutterrechts“ als einen „romantischen Schwärmer“.
    Ausgangspunkt der Untersuchungen Bachofens ist eine Textstelle bei dem griechischen Historiker Herodot (480–426 v. Chr.), der nach ausgedehnten Reisen und einer umfangreichen Sammeltätigkeit ein in neun Bücher eingeteiltes Geschichtswerk veröffentlichte. Darin bemerkt Herodot über die Sitten der Lykier, einem kleinasiatischen Volksstamm:
    „Ihre Bräuche sind teils kretischer, teils karischer [Karier: kleinasiatischer Volksstamm] Herkunft. Doch haben sie folgenden Sonderbrauch, in welchem sie mit keinen anderenMenschen übereinstimmen. Sie nennen sich nämlich nach ihren Müttern und nicht nach ihren Vätern. Wenn einer den anderen fragt, wer er sei, wird er das Geschlecht seiner Mutter angeben und deren Mütter aufzählen.“
    Diese Mitteilung Herodots ergänzt Bachofen durch andere Quellen. So berichtet ein Historiker namens Herakleides Pontikos hundert Jahre nach Herodot über die Lykier:
    „Die Lykier leben vom Beute machen. Gesetze haben sie nicht, sondern nur Bräuche, und seit alten Zeiten werden sie von Frauen beherrscht.“
    Dieser Herakleides benutzte zuerst das Wort „Gynäkokratie“, das von dem Philosophen Aristoteles mit der Beschreibung „Frauen, die außer Kontrolle geraten“ erläutert wird. Nach Meinung von Aristoteles geschieht dies insbesondere dann, wenn sich eine Demokratie in eine Tyrannis verwandelt. Dann sei es auch möglich, dass Frauen die Herrschaft im Staat übernehmen.
    Zwei Jahrhunderte später beschreibt Nikolaus von Damaskus die Sitten der Lykier so:
    „Die Lykier erweisen den Frauen mehr Ehre als den Männern. Sie nennen sich nach der Mutter und vererben ihre Hinterlassenschaft auf die Töchter und nicht auf die Söhne.“
    Diese Textstellen bei den antiken Historikern, die Bachofen als Ausgangspunkt für seine Theorie von einem ursprünglichen Mutterrecht heranzieht, beweisen zunächst nur, dass bei diesem kleinasiatischen Volk die Frauen bei der Namensgebung und dem Erbrecht bestimmend sind. Im Gegensatz zu den fortgeschrittenen indoeuropäischen Völkern wie den Griechen und den Römern würden Völkerschaften wie die Lykier einen älteren Zustand der Zivilisation repräsentieren. Diese Abstammung in der weiblichen Linie, die vonder Fachwissenschaft als Matrilinearität bezeichnet wird, unterscheidet sich aber von der Frauenherrschaft, der Gynäkokratie, in der eine Frau die politische Macht besitzt. Fraglich ist, ob die kurze Mitteilung des Herakleides Pontikos ausreicht, bei den Lykiern eine von alters her übliche Frauenherrschaft zu vermuten. Für den Philosophen Aristoteles bedeutet Frauenherrschaft nur einen momentanen Zustand der Regierung während des Zerfallsprozesses einer Demokratie. Die moderne Völkerkunde kennt neben der Frauenherrschaft und dem weiblichen Namens- und Erbrecht noch andere Formen,
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