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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord
Autoren: Roy Jensen
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unbemerkt ihrem Hobby hätte frönen können. Vielleicht war sie aber auch einfach in ihren betagten Kleinwagen gestiegen und hatte dann ein paar Stunden in irgendeinem Waldstück geübt.
    Isabell entging natürlich nicht, dass sich ihr Chef immer wieder mit dem Fall auseinandersetzte und eines Tages sagte sie: »Paul, ich habe da, so glaube ich, was Neues für dich. Lass uns heute Abend darüber mal in aller Ruhe reden.«
    Schmidt horchte interessiert auf, sagte aber nichts und nickte nur schweigend.
    Abends, im ›Borgerforeningen‹ war dem sonst so klar und überlegen reflektierenden Schmidt die Spannung deutlich anzumerken.
    »Nun spann mich nicht weiter auf die Folter, Isabell, was hast du herausgefunden.«
    »Natürlich hat mich der Fall Erika Long ebenfalls innerlich weiter beschäftigt und ich habe dann ein wenig Recherche betrieben, und«, meinte Isabell bescheiden, »damit sogar ein bisschen Erfolg gehabt.«
    »Was? Ja wie denn das?«
    »Na ja, ich habe gerade erst vor einer halben Stunde aus dem Labor ein positives Ergebnis bekommen, das eindeutig belegt und unseren Verdacht bestätigt, dass Erika Long tatsächlich den tödlichen Pfeil abgegeben haben muss.«
    »Bitte, wie, was hast du Isabell?«, fragte Schmidt völlig baff. »Davon weiß ich ja noch gar nichts!«
    »Wir haben damals«, Isabell senkte ihre Stimme etwas, »direkt nach der Tat, den Pfeil nach Spuren untersuchen lassen und feinen Lederabrieb festgestellt, was uns, wie du weißt, nicht weitergeführt hat. Letztlich entscheidend war schließlich für mich, sich ein weiteres Mal den Überlegungen hinzugeben, wonach überhaupt zu suchen ist. Quibus, also womit . Für uns eine Binsenweisheit, ich weiß, jedoch das Ergebnis überrascht immer wieder aufs Neue.«
    »Isabell, bitte, ja«, warf Schmidt ungeduldig ein. »Du solltest jetzt mal endlich zur Sache kommen.«
    »Erinnerst du dich noch«, blieb Isabell trotz des drängelnden Chefs ihrer Dramaturgie treu, »als wir Frau Long das erste Mal auf Ihrem Anwesen besuchten?«
    »Ja, natürlich, sie fütterte gerade einen der größeren Vögel. War dabei nicht von einem roten Milan die Rede gewesen?«, fragte Schmidt, dem die Spannung an seiner Körpersprache immer noch deutlich anzumerken war.
    »Ganz genau, Paul, darauf will ich ja hinaus. Denn in dem Zusammenhang war ein Detail in mir unterschwellig hängen geblieben, ich wusste lange Zeit nicht was. Dass es irgendeine wichtige Bedeutung haben musste, war mir schnell klar«, erörterte Isabell weiter. »Dennoch, wie ich es drehte und wendete – ich konnte es einfach nicht einordnen. Ich wollte mich schon geschlagen geben. Frustriert wie ich war, war ich gerade dabei, mir zu Hause einen starken Mocca aufzubrühen, da kam urplötzlich die Erleuchtung.«
    »Was für eine große Erleuchtung meinst du denn?«, stichelte Schmidt ungeduldig, dem das alles zu langatmig vorgetragen wurde.
    »Ach, Paul, wenn du mich nicht ständig unterbrächest«, bemerkte Isabell keck, »hättest du sie längst! Also«, knüpfte Isabell an das bereits von ihr Dargestellte an, »fuhr ich zunächst auf eigene Faust zu diesen Kolbs nach dem winzigen Dörfchen Hollehit hinaus – das Ehepaar, weißt du, welches die Tiere, darunter diesen roten Milan der Frau Long, in ihre Obhut genommen hat. Und genau um diesen Vogel ging es mir. Ich bat sie um ein, zwei Federn des Tieres, was einiges Erstaunen bei ihnen hervorrief, denn ich konnte ihnen die Zusammenhänge ja nicht darlegen.« Isabell umfasste sanft den schlanken Stiel ihres Weinglases, in dem rubinrot der Rebensaft funkelte. »Na Paul ahnst du bereits was?«
    »Ich hätte meinen Beruf verfehlt, wenn nicht«, erwiderte Schmidt trocken. »Ich nehme an, dass du dir die ausgehändigten Federn mit den Federn am Pfeil labortechnisch hast abgleichen lassen.«
    »Genau so ist es, Paul«, antwortete Isabell. »Und was soll ich dir sagen: Der genetische Fingerabdruck stimmte dabei haarklein überein.«
    »Klar, und demnach hat Erika Long den Schaft des Pfeiles, der ja ein Industrieprodukt ist, mithilfe der Vogelfedern in ihrem Sinne modifiziert«, ergänzte Schmidt und sah nachdenklich geworden vor sich auf die geblümte Tischdecke. »Ich könnte mir denken, dass sie dieses Wissen darum, was womöglich weit in die Vergangenheit reicht, auf ihren Reisen gewonnen hat. Spontan fällt mir da zum Beispiel das Osmanische Reich ein, das ja ganz hervorragende Bogenschützen zu Pferde ins Feld führen konnte«, folgerte Schmidt und prostete
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