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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord
Autoren: Roy Jensen
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die zwar einfach nur ins Blaue abzielte, die Frau jetzt definitiv überrumpelt zu haben. Er sah sie scharf an. »Was sagen Sie dazu?«
    »Nichts, Herr Kommissar«, blieb Erika Long von Schmidts Vorstoß völlig unbeeindruckt. »Was soll ich denn auch zu einem reinen Fantasiegebilde sagen? Oder wollen Sie, dass ich Sie etwa der Lüge bezichtigte? Ich weiß jetzt nicht, wie es im Amtsdeutsch heißt, ich denke aber, dass Sie sich eben mindestens einer kleinen Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht haben, nicht wahr, mein lieber Herr Hauptkommissar?«
    Schmidt dämmerte, dass er sich mit seiner Strategie nicht hatte durchsetzen können, obwohl er nach wie vor felsenfest davon überzeugt war, hier einer Mörderin gegenüberzusitzen. Gleichzeitig fragte er sich, woher diese Frau bloß ihre plötzliche Selbstsicherheit bezog. Der Beamte konnte ja nicht wissen, dass sie einen osmanischen Bogen verwendet hatte, der, da er ganz aus Naturmaterialen bestand, bei dem Brand natürlich vernichtet worden war.
    »Wenn der Herr Hauptkommissar jetzt erlauben.« Erika Long richtete sich im Bett kurz auf, bevor sie auf ihr Kissen niedersank. Und ehe Schmidt den Raum verlassen konnte, war sie bereits eingeschlafen.
    Selbst Schmidt, dem ja klar war, das Misserfolge zum Alltag des Kripobeamten gehörten, konnte diesmal seine Enttäuschung nicht verhehlen. »Auf die falsche Karte gesetzt, nennt man das wohl«, dachte er ziemlich genervt. Dabei war er bereits so nah dran gewesen!
    Und wo sollte er jetzt noch ansetzen? Auf Befragungen der Nachbarn und Bewohner der nächsten Umgebung, ob sie die Long jemals mit einem Bogen in der Hand gesehen hätten, hatten die Beamten nur erstaunte Mienen geerntet. Und auch ihre Mitstreiter Joe, Nina, Ben und Henningsen wussten angeblich von nichts.
    Abends trafen sich Schmidt und Isabell auf ein Glas Wein im ›Borgerforeningen‹, einer gemütlichen Weinstube in einem der malerischen Hinterhöfe, von denen es in der Fördestadt im historischen Zustand eine ganze Anzahl gab. Das machten die beiden immer, wenn sich das Ende des gerade zu bearbeitenden Falls langsam abzeichnete oder bis auf Weiteres zu den Akten gelegt werden musste. Es war zu einer festen Einrichtung, zu einer Art Abschlussritual geworden und diente dazu, außerhalb des Büros ein weiteres Mal über den aktuellen Fall zu resümieren und sich auszutauschen. Das hatte sich oft bewährt, da Schmidt seiner Mitarbeiterin während der alltäglichen Routine viel Spielraum zum selbständigen Arbeiten ließ.
    »Gut wenigstens, dass der ›Fall Beate Thomsen‹ soweit geklärt ist«, eröffnete Schmidt ihr Gespräch, »denn der Untersuchungsbefund der Flüssigkeit in diesem Schraubglas und die Kontamination an Spritze und Schutzhandschuhen waren eindeutig: Parathion. Genau das Gift, welches in dem Gewebe von Andy Thomsen vorgefunden wurde.«
    »Ja, und nun stell dir mal vor, Paul«, antwortete Isabell, »sie hätte den kleinen Bohrer bei ihrem überhasteten Aufbruch auch noch mitgenommen und hätte das Arsenal unterwegs irgendwo verschwinden lassen?«
    »Ja, dann wäre die Beweislast wesentlich mickriger ausgefallen«, sagte Schmidt und nickte. »Übrigens gilt Beate Thomsen immer noch als verschollen und ihr Freund Sven Bothe steht weiter auf der Fahndungsliste.«
    »Und wenn du bei Erika Long erfolgreich gewesen wärest, hättest du mir das bestimmt schon gesagt?«, sprach Isabell die Vernehmung im Krankenhaus an, wobei sie bemerkte, dass sich die Miene ihres Chefs augenblicklich verdüsterte.
    Schmidt teilte Isabell den Ablauf des Verhörs mit, welches nach seinem Befinden so grandios gescheitert war.
    »Ja, Paul, damit müssen wir halt leben«, war nun ausnahmsweise mal die Reihe an Isabell zu trösten, »das weißt du so gut wie ich.«
    In der Folgezeit wandten sich die beiden Kripobeamten wieder neuen Aufgaben zu, ohne den letzten Fall ganz aus den Augen zu verlieren. Und es wurmte den sonst so um Sachlichkeit bemühten Schmidt, dass er Erika Long die Tat nicht beweisen konnte. Die Indizienlage reichte hinten und vorn nicht. Noch nicht mal einen Zeugen konnte er anführen, der die Tierpflegerin mit einem Bogen in der Hand gesehen hatte.
    Ihr damaliger Einwurf, dass die Tat nur ein jüngerer Mensch hätte ausführen können, wollte ihm immer noch nicht einleuchten, denn er wusste nach den Gesprächen mit Bogenschützen, dass mit Konzentration viel zu kompensieren war. Auch war ihr Anwesen rundum von Grün umgeben, sodass sie dort wenigstens zeitweise
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