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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord
Autoren: Roy Jensen
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flammenden Zerstörungswerkes durchzusetzen.
    »Ja, klar, geht gleich los.« Hensel richtete ein paar Stäbe des Abgrenzungsbandes und folgte Schmidt zu seinem Dienstwagen. »Also, um zwei Uhr fünfzehn«, fuhr er fort, »wurden die Wehren aus Langballig, Terkelstoft und Grundhof durch das Sirenengeheul alarmiert. Als wir kurz darauf hier eintrafen, fanden wir die stark desorientierte hin und her torkelnde Erika vor, ich meine natürlich Frau Long, die voller Verzweiflung nach ihren Tieren schreiend, vor uns zusammenbrach – und alles brannte lichterloh.« Hensel sah zum Notarztwagen hinüber und holte tief Luft. »Bis der Rettungsdienst eintraf, haben wir uns natürlich um die arme Frau gekümmert und Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet, während das Gros der Männer mit dem Löschen begonnen hat.«
    Trotz der Empathie, die Schmidt angesichts des Schicksalsschlags dieser Frau gegenüber empfand, blieb er zuallererst immer der Ermittler, der es folgerichtig zugleich bedauerte, dass ihm womöglich Beweismaterial entgangen war, welches zur Überführung Erika Longs nötig gewesen wäre.
    Ohne es zu wissen, sollte dieses Bedauern im gleichen Moment einen Grund haben. Denn von allen unbemerkt, da es sich auf der Rückseite des Hauses abspielte, löste sich gerade eine zu glühen angefangene Holztruhe vom Dachboden, fiel auf die Erde und zerbarst. Dabei gab sie für Sekunden ein lang gehütetes Geheimnis, eine stark verkohlte Urkunde frei. Und hätte Schmidt vor der endgültigen Zerstörung durch Glut und Löschwasser die winzige Gelegenheit gehabt, die sich schon zu Asche verwandelnden Papierreste zusammenzufügen, wäre seine Spürnase zu erneuten Ehren gekommen. Vorausgesetzt, er wäre in der Lage gewesen, unbekannte, rätselhafte Schriftzeichen zu entziffern – aber dafür hätte es ja lediglich eines Experten bedurft.
    Inzwischen trafen die Kollegen von der Spurensicherung ein sowie das Ehepaar Kolb, die Inhaber einer weiteren Tierauffangstation im näheren Kreisgebiet. Sie waren mit Transportkörben ausgestattet und wollten sich um die Evakuierung der teilweise unter Schock stehenden oder in Panik geratenen und verletzten Tiere kümmern.
    Schmidt war an den Rettungswagen herangetreten, in dem eilig Vorbereitungen für die Abfahrt getroffen wurden. Erika Long, die weiterhin künstlich beatmet wurde, hielt die Augen geschlossen. Der Notarzt vertröstete Schmidt, dass die Patientin in allem Pech Glück gehabt habe, also noch einmal davonkommen sei und wahrscheinlich – sofern alles gut gehe – nach ein paar Tagen der Regeneration zu einem kurzen Verhör durchaus wohl in der Lage sei.

17. Alte Kämpferin
    Erika Longs Vergiftung der Atemwege erforderte eine intensive Sauerstofftherapie, sodass im Interesse der Patientin vorerst an eine Befragung nicht zu denken war. Als die Ärzte der Förde-Klinik nach gut einer Woche schließlich grünes Licht gaben, traf Schmidt auf eine lethargisch daliegende Kranke, die ihr Schicksal wohl erst nach und nach zu realisieren begann. Jedoch selbst in dieser Ausnahmesituation schien ihr die eigene Gesundheit zweitrangig und der materielle Verlust nicht so wichtig zu sein, denn sie fragte Schmidt zuerst nach den ihr anvertrauten Tieren.
    »Bei allem Unglück«, versuchte Schmidt die Sorgen der Kranken zu zerstreuen, »haben die meisten Ihrer Tiere wohl den Brand halbwegs gut überstanden, da die Volieren und Kleintierställe weit genug vom Wohnhaus entfernt waren und zu der Zeit gerade Westwind herrschte.«
    »Sie sagen die meisten, Herr Hauptkommissar, bitte sagen Sie mir – auch wenn es schmerzt –, welche meiner Tiere das Unglück nicht überlebt haben?«
    »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten, aber soweit ich es mitbekommen habe, hat sich das Ehepaar Kolb aus Hollehit Ihrer Tiere inzwischen umfänglich angenommen.«
    »Ach, Rudi und Elke?« Erika Longs Gesicht hellte sich langsam auf und bekam etwas Farbe. »Da sind sie – Gott sei Dank – ja in den besten Händen.« Sie machte den Versuch, sich im Bett aufzurichten, doch fehlte ihrem geschwächten Körper die Energie. Es fiel ihr offensichtlich außerordentlich schwer, die eigene Hilflosigkeit anzunehmen, selbst wenn diese, wie hier, während des Klinikaufenthaltes, nur zeitlich begrenzt war.
    »Leider muss ich Ihnen ferner mitteilen, Frau Long, dass Ihre Kate bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist«, richtete Schmidt den Fokus jetzt auf die eigentliche Vernehmung.
    »Ja, und was ist mit meinen
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