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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord
Autoren: Roy Jensen
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später – nach einem Gerichtsurteil –, dass hier der Strafbestand einer arglistigen Täuschung gegeben war und die ach so nette Nachbarin das Haus womöglich hätte zurücknehmen müssen. So hat seine Familie die ganzen Ersparnisse«, fuhr Nina fort, »die eigentlich für die Einrichtung, die Renovierung und Reparaturen vorgesehen waren, in die teure Sanierung sämtlicher Wände stecken müssen. Die direkten Folgen kennst du ja: Die vier mussten jahrelang in hanebüchenen Provisorien leben.«
    »Warum hat er das Haus nicht wieder verkauft?«, wandte Ben sich an seine Freundin.
    »Das sagt du jetzt so einfach – sie haben es ja versucht, nur wer will denn ein Haus im halbgaren Zustand, da fallen gleich viele Käufer weg. Und weit unter Preis wollten sie anfangs nicht verkaufen, denn dann wäre ja nur ein Haufen Schulden übrig geblieben. Die Veräußerin des Hauses war übrigens Mitglied im Gemeinderat und anderer Seilschaften. Sie hat direkt nebenan in einem Neubau gewohnt und war sich keinerlei Schuld bewusst.«
    »Ja, und wie ist es denn schließlich ausgegangen?«, fragte Ben, dem Ninas Schilderungen zu weitschweifig wurden.
    »Na ja, sie fühlten sich ausgegrenzt, zogen sich ihrerseits immer mehr zurück und gerieten zu Außenseitern im Dorf, die sie eigentlich nie hatten sein wollen. Gleichzeitig wuchs ihr Groll gegen die feine Dame, die alles nur totschweigen wollte. Zuletzt haben sie völlig entnervt dem Dorf den Rücken gekehrt und leben heute in einer halbwegs billigen Sozialwohnung zur Miete.«
    »Und was ist aus dem Haus geworden?«
    »Es ist zwangsversteigert worden und sie tragen ein Teil der Last über eine Schuldenberatung ab … ja, ja, ziemlich bitter das alles. Mein Bruder meinte einmal, dass er sich trotz der jetzigen räumlichen Enge manchmal wie befreit fühlen würde.«
    Nina schaute auf das gegenüberliegende dänische Ufer, wo die Rotoren zweier dicht nebeneinanderstehender Windräder in gemächlichem Takt und ein wenig zeitversetzt ihren Dienst versahen.
    Ihr kam der Spruch in den Sinn: Grün ist es immer nur auf der anderen Seite.

    Am Wochenanfang versahen die beiden wie gehabt ihren Schichtdienst in der Gastronomie. Ben, der in dem Hotel in Bahnhofsnähe kochte, hatte die Woche über Spätschicht und so kam er immer erst gegen Mitternacht nach Hause. Sie bewohnten eine kleine schmucke Wohnung am Friesischen Berg – eine Straße unweit vom Südermarkt und Zentrum der Hafenstadt – in einem unauffälligen dreistöckigen Gelbklinkerhaus der frühen Siebzigerjahre.
    Nina ging heute nicht so früh wie sonst ins Bett. Sie wartete auf Ben, der ihr zwischen zwei aufzubereitenden Gängen mitgeteilt hatte, mit dem Makler eine Einigung erzielt zu haben. Ben, der den Weg vom Hotel zu Fuß zurücklegte, sah bereits von Weitem das Licht in ihrer Wohnung brennen. Ninas sich dunkel abzeichnende, schlanke Silhouette erkannte er am Fenster und ein warmes Gefühl von Zärtlichkeit durchströmte ihn.
    Nachdem er sich unter der Dusche erfrischt hatte, machten sie es sich auf ihrem schwarzen Ledersofa gemütlich.
    »Jetzt erzähl schon, was hast du erreicht?« Nina kuschelte sich behaglich an ihren Freund.
    »Ja, also, wie mir der Herr Schlüter vom Maklerbüro mitteilte, gibt es in der Tat bereits ein Gutachten, das der jetzige Besitzer hat anfertigen lassen. Hier sind die Feuchtigkeitsprobleme und die Sanierungskosten aufgeführt.« Ben nahm einen großen Schluck vom Grapefruitweizen und lächelte vielsagend. »Was das angeht, ist das Schifflein ja wohl sorgfältig gekalfatert, also wasserdicht, und wir können uns getrost zum Schippern auf den großen Ozean hinauswagen.«
    »Ja und Käpt’n Thams?«, hakte Nina scherzhaft nach. »Wie sieht das genau in Euro und Cent aus?«
    »Schlüter sprach von circa 30.000 Euro, Genaueres würden wir aus dem Gutachten erfahren, und er versprach, dass er uns umgehend eine Kopie zusenden würde.«
    »Tja, Ben« erwiderte Nina und setzte sich etwas auf, »du kennst ja meinen Standpunkt. Wir kaufen nur, wenn uns die zu erwartenden Kosten zum Kaufpreis in Abzug gebracht werden. Und ich bin nicht bereit, davon abzurücken.«
    »Gut, gut, Nina, aber über einen Namen unseres künftigen Anwesens könnten wir doch mal nachdenken?«, warf Ben unverdrossen ein, »ich hätte da nämlich schon was.«
    »Ich höre?«
    »Was hältst du von ›Utspann‹?«, fragte Ben erwartungsvoll.
    »Utspann?«, wiederholte Nina gedehnt. »Nicht schlecht, die Leute kommen zu uns, zum
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