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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bannermann und die drei anderen aufsprangen.
    Der Mann brüllte. Sein Körper spannte sich wie eine Stahlfeder, federte in einer unmöglich erscheinenden Drehung herum auf dem Boden auf.
    »Verdammt, ist der Kerl denn völlig übergeschnappt?«, keuchte Bannermann. »Was ist denn bloß mit ihm los?«
    Der Fremde begann zu sprechen, aber seine Worte waren unverständlich, wenig mehr als ein unartikuliertes Gurgeln und Keuchen, in das sich nur ab und zu halbwegs menschliche Töne mischten. Schaum trat vor seinen Mund. Seine Augen schienen zu brennen.
    »Ich glaube, er ist wirklich verrückt«, murmelte ich. »Sehen Sie sich seine Augen an, Bannermann. Das sind die Augen eines Wahnsinnigen!«
    Bannermann nickte. Die Bewegung wirkte abgehackt und mühsam. Plötzlich war die alte Furcht wieder in seinem Gesicht, und als er sich umsah, war sein Blick der des Gehetzten, der nach dem Jäger Ausschau hielt.
    Zögernd näherte ich mich dem Gefesselten, blieb jedoch in ausreichendem Abstand stehen. Auch wenn er gebunden war, hatte ich keine Lust, von seinen Füßen getroffen zu werden. Dass die allgemeine Redensart, Wahnsinnige verfügten über übermenschliche Kräfte, kein leeres Gerede war, hatte er uns gerade bewiesen.
    In zwei Schritten Entfernung von ihm ließ ich mich in die Hocke sinken. »Können Sie mich verstehen?«, fragte ich.
    Etwas in seinem Blick schien zu flackern. Sein Kopf ruckte herum, und für eine halbe Sekunde hörte er auf, zu toben und unartikulierte Laute hervorzustoßen. Sein Blick klärte sich. Aber der Moment verging so rasch, wie er gekommen war, und er begann wieder zu kreischen und sich wie ein Wurm zu winden.
    »Können Sie mich verstehen?«, fragte ich noch einmal. Diesmal zeigte er keine Reaktion, aber ich war trotzdem sicher, dass er meine Worte verstand.
    »Hören Sie zu«, sagte ich, sehr langsam und übermäßig betont, damit er auch jedes Wort mitbekam. »Wir wissen nicht, wer Sie sind, und wir wissen auch nicht, warum Sie unseren Mann überfallen haben. Aber wir sind nicht Ihre Feinde. Wir sind fremd in der Gegend und suchen nur Hilfe.«
    »Mörder«, keuchte der Mann. »Ihr seid … verdammtes Mörderpack … Ihr alle. Alle. Alle aus Goldspie.«
    Bannermann fuhr erschrocken zusammen und wollte etwas sagen, aber ich brachte ihn mit einer raschen Bewegung zum Schweigen. »Wir sind nicht aus Goldspie«, sagte ich. »Wir sind fremd hier, glauben Sie uns.«
    »Ihr … seid Mörder!«, keuchte der Fremde. Der Schaum in seinen Mundwinkeln wurde rot. Er musste sich in seiner Raserei auf die Zunge gebissen haben. »Ihr habt es gewusst!«, stammelte er. »Gewusst habt ihr es. Ihr … wolltet, dass es uns umbringt. Ihr habt es gewollt! Ihr seid schuld.«
    »Was haben wir gewollt?«, fragte ich eindringlich.
    Die Antwort bestand in einem hysterischen Kreischen. »Die Bestie!«, keuchte er. »Ihr … ihr habt es gewusst. Ihr habt gewusst, dass sie … kommen wird. Um Mitternacht kommen wird. Ihr habt es gewusst, aber ihr habt uns nicht gewarnt. Ihr seid Schuld an Steves Tod! Die Bestie …« Er begann zu stammeln, schließlich zusammenhanglos zu schreien und erneut unartikulierte Töne hervorzustoßen.
    Bannermann berührte mich an der Schulter. »Das hat keinen Zweck mehr, Craven«, sagte er. »Der Kerl redet wirres Zeug, merken Sie das denn nicht?«
    Ich starrte noch einen Moment auf unseren Gefangenen herab, ehe ich mich mit einem resignierenden Seufzen erhob und ein Stückweit zurückwich.
    »Sind Sie sicher?«
    Bannermann riss erstaunt die Augen auf. »Sie nicht?«, fragte er. »Was für eine Bestie soll das denn sein, die hier ihr Unwesen treibt?« Er versuchte zu lachen, aber ganz gelang es ihm nicht.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte ich unschlüssig. Ich fühlte mich verwirrt und hilflos wie nie zuvor in meinem Leben. »Ich weiß nur, dass …«
    »Dass was?«, fragte Bannermann misstrauisch, als ich nicht weitersprach.
    »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich immer genau weiß, ob jemand die Wahrheit sagt oder mich anlügt«, antwortete ich.
    Bannermann nickte stumm.
    »Vielleicht funktioniert meine Gabe bei Wahnsinnigen nicht«, murmelte ich. »Aber ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass dieser Mann nicht lügt, Bannermann.«
    »Das behauptete ich auch gar nicht«, antwortete Bannermann ungerührt. »Er glaubt ja auch daran. Er hat Ihnen genau das gesagt, was er für die Wahrheit hält. Der Mann ist verrückt.«
    »Das stimmt, Captain, aber …«
    Ich brach mitten im Satz ab, als ich
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