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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Leiterwagens. Muldon sah mir kopfschüttelnd dabei zu, schwieg aber. Nur um seine Lippen spielte ein dünnes Lächeln.
    »Denken Sie dran«, sagte er zum Abschied. »Bleiben Sie auf dem Weg. Es gibt gefährliche Sümpfe hier. Viel Glück noch.« Er nickte, tippte mit dem Zeigefinger an den nicht vorhandenen Rand eines genauso wenig vorhandenen Hutes, drehte sich wieder um und ließ die Peitsche knallen. Das altersschwache Gefährt setzte sich knarrend und ächzend in Bewegung und begann, sich den Weg hinaufzuquälen.
    »Ein seltsamer Bursche«, murmelte Bannermann kopfschüttelnd, als der Wagen außer Hörweite war. »Ich habe die halbe Nacht neben ihm auf dem Bock gesessen, aber er hat kaum drei Worte herausgebracht. Ich bin mir vorgekommen wie ein Alleinunterhalter.«
    »Wie …« Ich erschrak, drehte mich abrupt zu ihm um und sah ihn scharf an. »Was haben Sie ihm erzählt?«
    »Erzählt?« Bannermann lächelte. »Nichts, Mister Craven«, antwortete er. »Nur das, was wir vereinbart haben. Er denkt, wir wären mit einer Jacht vor der Küste gestrandet.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Wir müssen uns noch einmal über die Geschichte unterhalten, Mister Craven. Sie gefällt mir ganz und gar nicht. Und wir kommen auf keinen Fall damit durch.«
    Seine Männer ließen ein zustimmendes Gemurmel hören, und ich unterdrückte im letzten Moment ein Seufzen. Es war nicht das erste Mal, dass wir über dieses Thema sprachen. Während der letzten vierundzwanzig Stunden, mit Ausnahme der Zeit, die wir auf dem Leiterwagen über die Highlands von Schottland geschaukelt waren, hatten wir über praktisch nichts anderes gesprochen. Natürlich würde unsere Geschichte einer eingehenden Überprüfung nicht standhalten. Die Behörden würden recht schnell herausbekommen, dass die Jacht, mit der wir angeblich dreißig Meilen südlich von Durness gestrandet waren, niemals existiert hatte. Und es würde auch nicht sehr lange dauern, bis in London irgendjemandem auffiel, dass die LADY OF THE MIST überfällig war. Aber unsere Geschichte würde uns vielleicht genug Zeit verschaffen, nach London zu gelangen und Kontakt mit Howard aufzunehmen.
    Wer immer er sein mochte.
    »Wir reden darüber«, sagte ich halblaut. »Aber nicht hier, Bannermann. Und nicht jetzt. Lassen Sie uns nach Goldspie hinuntergehen und ein Hotel suchen. Danach reden wir.«
    »Ein Hotel?« Bannermann lachte humorlos. »Und wovon gedenken Sie die Zimmer zu bezahlen, Mister Craven? Ich habe lächerliche zwei Dollar, und meine Männer keinen Penny. Wir müssen uns an die Behörden wenden, um …«
    »Es wird in Goldspie ja wohl eine Bank geben«, unterbrach ich ihn. Allmählich begann mir sein Starrsinn auf die Nerven zu gehen. Der Mann, der vor mir stand, schien kaum noch etwas mit dem Bannermann zu tun zu haben, den ich an Bord der LADY kennen gelernt hatte.
    Aber man musste ihm wohl zugutehalten, dass er sein Schiff und den größten Teil seiner Mannschaft verloren hatte. Und das unter Umständen, die acht von zehn Männern in den Wahnsinn getrieben hätten.
    »Ich werde versuchen, einen der Kreditbriefe einzulösen, die … Montague mir gegeben hat«, sagte ich. Das unmerkliche Stocken in meiner Stimme musste ihm auffallen, aber er spielte das Spiel mit. Die Männer, die uns begleiteten, mussten nicht die ganze Wahrheit erfahren. Was sie gesehen und erlebt hatten, war schon zu viel. »Wenn es nicht geht, marschieren wir schnurstracks zur nächsten Polizeiwache«, versprach ich.
    Bannermann zögerte noch immer, aber sein Widerstand schwand bereits. So wie die Male zuvor. Es war seltsam – aber es schien, als müsse ich einem Menschen nur scharf genug in die Augen sehen, um ihm meinen Willen aufzuzwingen …
    Ich schob den Gedanken hastig von mir, drehte mich um und ging los. Bannermann wechselte hinter mir ein paar Worte mit seinen Männern, aber nach einer Weile folgten sie mir. Ich ging langsamer, damit sie nicht laufen mussten, um zu mir aufzuschließen.
    Wir marschierten schweigend. Ich versuchte, die Uhrzeit anhand der Sonne zu schätzen, aber ich bin nie sehr gut in solchen Dingen gewesen und gab bald wieder auf. Es war Morgen, der zweite Morgen nach unserer Ankunft in England, und in wenigen Stunden würden wir wieder in anständigen Betten schlafen, sicher vor den Nachstellungen irgendwelcher prähistorischer Monster oder rachsüchtiger Zauberer …
    Bannermann machte ein paar schnelle Schritte, um an meine Seite zu gelangen, sagte jedoch nichts, sondern
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