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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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senkte sich wieder.
    »Um Gottes willen, Jeff – nicht!!!«
    Crantons Schrei ging in einem ungeheuren, trompetenden Brüllen unter. Der Schatten am Ende des Lichtstrahls wuchs ins Ungeheuerliche, explodierte in einer Woge von Schwarz und glitzernden Schuppen und sprang mit einem gewaltigen Satz auf die beiden Männer zu.
    Das Boot bäumte sich auf. Eine weitere Welle traf seinen Rumpf, riss eines der Ruder weg und ließ das Ende des anderen wie eine Keule kreisen; Cranton schrie auf, als ihn das unterarmstarke Holz am Hinterkopf traf und abermals nach vorne schleuderte. Auch O’Banyon schrie vor Schrecken, kippte hintenüber und ließ die Karbidlampe fallen. Der kalkweiße Lichtstrahl kreiste noch einmal über dem See, als die Lampe auf den Bootsrand prallte und zischend verlosch.
    Aber den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Lichtstrahl vom Schwarz der Nacht verschluckt wurde, war in seinem Zentrum ein gewaltiger, alptraumhafter Umriss erschienen …
    O’Banyon wusste hinterher nicht mehr, was wirklich geschehen war und in welcher Reihenfolge. Etwas traf das Boot und zerschmetterte es, als wäre es ein Spielzeug. Er schrie, hörte Cranton neben sich brüllen und schluckte Wasser, als er mit Urgewalt in den See geschleudert und tief unter die Wasseroberfläche gedrückt wurde. Instinktiv hielt er die Luft an, trat Wasser und versuchte mit kräftigen, weit ausholenden Zügen von der Stelle wegzuschwimmen, an der das Boot gesunken war. Sein Herz hämmerte, und um seine Brust schien ein Stahlreifen zu liegen, der langsam zusammengezogen wurde. Blind vor Angst griff er aus, durchbrach die Wasseroberfläche und sog gierig Luft in die Lungen.
    Rings um ihn herum kochte der See. Als hätte ein unsichtbarer Regisseur im Hintergrund die Wolken beiseitegeschoben, um die schreckliche Szene ausreichend zu beleuchten, schien der Mond durch eine gewaltige dreieckige Lücke in den Regenwolken, und der See lag hell beleuchtet in seinem silbernen Licht da.
    O’Banyon schwamm ein paar Meter auf das Ufer zu, schluckte abermals Wasser, als eine neue Woge über ihm zusammenschlug und ihn im Sog hinabzerrte, kämpfte sich prustend wieder an die Oberfläche und warf einen Blick zurück.
    Das Boot war verschwunden. Der See, vor Augenblicken noch ruhig wie ein gewaltiger Spiegel, hatte sich in ein Chaos aus schaumigen Wellen und brodelnder Bewegung verwandelt. Weder von Cranton noch von dem Ding, das ihr Boot getroffen und versenkt hatte, war die geringste Spur zu entdecken.
    O’Banyon atmete tief ein, drehte sich wieder herum und schwamm mit kräftigen Zügen zum Ufer. Das Wasser war eisig, und er spürte, wie seine Kräfte mit jeder Sekunde schwanden. Als er schließlich die unkrautbewachsene Uferböschung erreichte, hatte er kaum noch die Kraft, sich aus dem Wasser zu ziehen.
    Der grauhaarige Ire blieb sekundenlang zitternd und mit klopfendem Herzen liegen. Schwarze Bewusstlosigkeit drängte in seine Gedanken und drohte ihn zu überwinden, und in seinem linken Bein erwachte ein klopfender, immer stärker werdender Schmerz. Schließlich stemmte er sich auf Ellbogen und Knie hoch, kroch ein Stück vom Wasser weg und brach wieder zusammen. Sein Atem ging pfeifend und unregelmäßig, als er sich auf den Rücken drehte und wieder zum See hinabsah.
    Der Mond überschüttete Loch Shin noch immer mit bleichem, unheimlichem Licht. Seine Oberfläche hatte sich wieder beruhigt, nur hier und da trieben noch Holzsplitter oder Teile ihrer Ausrüstung, und genau in seiner Mitte, dort, wo das Ding aufgetaucht war, stiegen in regelmäßigen Abständen große, schimmernde Luftblasen an die Oberfläche und zerplatzten.
    O’Banyon stemmte sich hoch, fuhr sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht und stand nach Sekunden vollends auf. Sein Blick glitt unstet über den See. Das Wasser schimmerte ölig, und für einen Moment hatte er das Gefühl, dicht unter seiner Oberfläche einen gigantischen dunklen Umriss zu erkennen. Aber es war nur ein Schatten, hervorgerufen durch das Spiel des Mondlichtes und der Wolken.
    »Steve?«, rief O’Banyon. Seine Stimme zitterte, und das Heulen des Windes schien wie gellendes Hohngelächter darauf zu antworten.
    Aber das war auch die einzige Antwort, die er bekam.
    O’Banyon sah sich unsicher um. Alles in ihm schrie danach, einfach herumzufahren und wegzulaufen, so schnell er konnte weg von diesem schrecklichen Ort. Aber Steve Cranton war nicht nur sein Angestellter, sondern auch sein Freund. Er konnte ihn nicht
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