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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sanfter Stoß traf den Boden des Bootes. Cranton verlor für einen Moment das Gleichgewicht, rutschte auf der schmalen Sitzbank nach vorne und klammerte sich erschrocken am Bootsrand fest. Das kleine Schiffchen bebte. Es war ein Gefühl, als wäre es von etwas Weichem, Nachgiebigem – aber trotzdem ungeheuer Starkem – getroffen worden. Wieder war das Geräusch von Wasser zu hören, das mit einem harten Schlag geteilt wurde. Eine Welle traf das Boot, zersprühte an seinem Rumpf und überschüttete seine Insassen mit einem Schwall eisigem Wasser.
    Cranton fluchte, beugte sich vor und versuchte mit klammen Fingern, ihre Ausrüstung aus dem wasserdichten Ölsack zu nehmen.
    »Beeil dich, Steve«, sagte O’Banyon ungeduldig. »Da ist etwas – ich spüre es ganz deutlich.«
    Der See war plötzlich von Geräuschen erfüllt. Wellen trafen in immer kürzeren Abständen das Boot, und irgendwo, links und nicht sehr weit von ihnen entfernt, bewegte sich etwas Dunkles, Massiges über dem See.
    »Die Karbidlampe!« verlangte O’Banyon ungeduldig. »Wie lange dauert denn das?«
    Cranton richtete sich mit einem ärgerlichen Knurren auf, reichte O’Banyon die kleine, sonderbar geformte Lampe und starrte mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit hinaus. Auch er glaubte jetzt etwas zu erkennen, aber eben nur irgendetwas, ohne dass er hätte sagen können, was.
    Aber was immer es war, es war groß.
    »Verdammt, Jeff, lass uns hier verschwinden«, murmelte er. »Die Sache gefällt mir nicht.«
    O’Banyon hatte den Glaskolben der Lampe ein Stück angehoben und versuchte mit bebenden Fingern, ein Streichholz anzureißen, aber der Wind blies ihm die Flamme schneller wieder aus, als er sie in die Lampe bekommen konnte. Sein Blick wanderte immer wieder über den See und saugte sich an dem schwarzen Ding fest, das inmitten der Dunkelheit erschienen war. Das Boot schaukelte mittlerweile wild auf den Wellen und begann sich langsam zu drehen. Ein neuer, unheimlicher Ton begann sich in das Heulen des Windes zu mischen. Ein Laut, wie ihn keiner der beiden jemals zuvor in seinem Leben gehört hatte: etwas wie ein dunkles, unendlich mühsames Atmen und Schnauben, aber so mächtig, dass die beiden Männer in dem winzigen Boot schauderten.
    »Lass uns hier verschwinden«, sagte Cranton noch einmal. »Jeff – bitte!«
    Statt einer Antwort riss O’Banyon ein weiteres Streichholz an, schirmte die Flamme mit der Hand ab und entzündete endlich die Lampe.
    Cranton schloss geblendet die Augen, als die Dunkelheit über dem Boot schlagartig der weißen, unangenehm grellen Helligkeit der Karbidlampe wich. O’Banyon blinzelte, hob die Lampe mit der linken Hand in Kopfhöhe und fummelte mit der anderen an der komplizierten Anordnung von Spiegeln, die ihr Licht bündeln und weit hinaus auf den See werfen sollten. Ein flackernder, dreieckiger Kegel weißer Helligkeit huschte über die Wasseroberfläche. O’Banyon fluchte, hielt die Lampe etwas höher und verstellte die Spiegel. Aus dem dreieckigen Lichtteppich wurde ein dünner, gebündelter Strahl, der fünfzig und mehr Meter weit auf den See hinausreichte. Irgendwo an seinem Ende bewegte sich etwas; etwas Formloses und Schwarzes und Titanisches. Ein unwilliges, unglaublich tiefes Grollen ertönte, als der Lichtfinger für einen Moment einen bizarren Umriss aus der Dunkelheit hervorzauberte und dann weiterwanderte.
    »Hör auf, Jeff, ich bitte dich!«, keuchte Cranton.
    »Da ist es!«, murmelte O’Banyon. »Ich habe recht gehabt, Steve – Truman hat nicht gelogen.« Er fuhr herum, packte Cranton mit der freien Hand beim Kragen und deutete mit der Lampe auf den See hinaus. »Sieh es dir an, Steve! Truman war kein Verrückter! Er hatte recht! Dieses Wesen existiert wirklich! Es ist real, und –«
    Cranton schlug seine Hand beiseite. »Ich will es gar nicht wissen!«, brüllte er. »Ich will hier weg, sonst nichts! Verdammt, Jeff – begreifst du denn nicht?! Dieses Monster wird uns umbringen!!«
    O’Banyon blinzelte verwirrt. Er schien noch gar nicht auf den Gedanken gekommen zu sein, dass sie sich in Gefahr befanden.
    Eine neue, besonders mächtige Welle traf das Boot; so heftig, dass sowohl O’Banyon als auch Cranton die Balance verloren und übereinanderstürzten.
    Fluchend arbeiteten sie sich wieder hoch. Das Boot schaukelte wild, aber die Lampe war wie durch ein Wunder nicht erloschen. Der kalkweiße Lichtstrahl zuckte wie ein dünner, bleicher Finger über den See, bohrte sich in den Himmel und
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