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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen
Autoren: Marie Cristen
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Dienste begeben. Nun ihr Mitwisser zu werden bedeutete, eine unsichtbare Grenze zu überschreiten.
    »Kann ich mich auf Euch verlassen, Hugec von Flavy?«
    »Müsst Ihr das fragen, Madame?« Im Bann ihrer Augen traf er eine Entscheidung, die nichts mit Vernunft und nichts mit Ehre zu tun hatte. »Ich bin Euer Ritter. Befehlt und ich handle danach.«
    Ich würde alles für Euch tun.
    Mahaut vernahm auch die stummen Worte. Sie nickte zufrieden. Sie streckte ihm die Rechte zum Kuss entgegen. Ihre Finger waren warm, fast heiß, und drückten beschwörend die seinen, um den Pakt zu schließen.
    Hugec wusste, dass er manipuliert wurde, aber das Bild seiner eigenen Gemahlin verblasste neben der Amazone, die ihn mit ihrem Vertrauen auszeichnete.
    »Zweifelt nicht daran, dass ich Treue und Loyalität zu belohnen weiß«, fügte sie nun hinzu und zog ihre Hand sacht zurück.
    Ganz die Verkörperung von Mütterlichkeit und Sorge, neigte sie sich nun über den Sohn und Erben.

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Erstes Kapitel
    E r gab die Zügel frei.
    Linkerhand der Seine, die unter einem rauchigen Band aus dünnem Morgennebel strömte, sprengte er nach Südwesten. Die Stadt lag hinter ihm. Adrien von Flavy atmete erleichtert auf.
    Nach der Enge, dem Lärm und dem Gestank von Paris überkam ihn ein berauschendes Gefühl von Weite und Freiheit. Sein Kopf, der noch unter den Folgen des Burgunders litt, den König Philippe von Frankreich in so überreichem Maße hatte ausschenken lassen, begann klar zu werden.
    Das Beste war ihm gerade gut genug gewesen zum Pfingstfest des Jahres 1313 und zur Feier der Schwertleite seiner drei Söhne. Hochämter, Turniere, Festbankette, Jagden, Empfänge und Umzüge hatten einander abgewechselt.
    Die königliche Prachtentfaltung hatte einen schalen Geschmack bei Adrien hinterlassen. Sein Magen rebellierte gegen die Fülle von Phrasen, die höfischen Lügen und die zur Schau gestellten falschen Freundschaften. Er wusste nur zu genau, was sich hinter der Fassade der Wohlanständigkeit verbarg. Die königlichen Brüder wahrten die Form, belauerten und bekämpften sich dabei umso arglistiger.
    Louis, mit vierundzwanzig Jahren der Älteste, war seit dem Tod seiner Mutter vor acht Jahren König von Navarra und Graf der Champagne. Er drängte seinen Vater, Flandern mit kriegerischen Mitteln in die Schranken zu weisen. Seine angeborene Streitlust hatte ihm bereits den Beinamen ›der Zänker‹ eingetragen. Seit acht Jahren mit Marguerite von Burgund verheiratet, war er der künftige König Frankreichs. Er war von schwankendem Charakter. Den eigenen Wutausbrüchen ausgeliefert, neigte er zu Selbstüberschätzung, Boshaftigkeit und Rachsucht.
    Philippe, zwei Jahre jünger, aber von imposanterer Statur, nannte man ›den Langen‹. Ihm wurden mehr Sympathien entgegengebracht als Louis.
    Charles, eben erst 18 , hatte das gute Aussehen des königlichen Vaters in die Wiege gelegt bekommen. Schon jetzt trug er den Beinamen ›der Schöne‹. Neben ihm kam sich Louis stets farblos und ungeschickt vor.
    Philipp und Charles waren mit Marguerites Cousinen verheiratet, mit den Schwestern Jeanne und Blanche von Burgund.
    Der Morgennebel hatte sich gelichtet. Ein Erpel stieg kreischend aus dem Ufergestrüpp des Flusses und riss den Reiter aus seinen Gedanken. Die Seine glitzerte nun im ersten Sonnenschein. Wolken und Ufersäume spiegelten sich in ihr.
    Nur mit der Hilfe Philippes des Langen war es Adrien gelungen, seinem Vater die wenigen Wochen in Faucheville abzuringen. Dieser, der Baron von Flavy, legte großen Wert darauf, in der Nähe des Königs zu sein und seinen Sohn Adrien am Hofe in die richtige Position zu bringen. Er konnte es nicht verstehen, dass Adrien viel lieber in Faucheville geblieben wäre.
    »Am besten vergessen wir meinen Herrn Vater und die Machtspiele des Hofes, was meinst du dazu, Alter?« Adrien beugte sich vor und tätschelte den Rappen, der mit einem Schnauben antwortete. »Fürs Erste bin ich froh, dem Narrenhaus entkommen zu sein.«
    Eine Person bei Hof wollte ihm jedoch nicht aus dem Sinn gehen: Mahaut von Artois, die Pfalzgräfin von Burgund. Sie spielte sich als Königin auf, weil ihre Töchter Jeanne und Blanche mit Philippe und Charles verheiratet waren und der König nach dem Tod seiner Gemahlin nie den Wunsch geäußert hatte, sich je wieder zu verheiraten. Adrien hasste Mahaut. Dass ausgerechnet sie so viel Einfluss auf seinen Vater besaß, empörte und besorgte ihn zu gleichen Teilen. Seine Vermutung, dass
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