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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Hände an die Schläfen gepresst, schrie er laut und anhaltend, bis er nur noch ein heiseres Krächzen hervorbrachte. Hastig holte er Luft und schrie erneut. Dieses Mal war das Wort »Genug!« zu vernehmen. Als sein Schrei abriss, machte sich eine tödliche Stille um ihn herum breit.
    Die Grenzer hatten das Feuer vorübergehend eingestellt, und Chester und Elliott versuchten nicht länger, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Will schwankte. Er war wie betäubt, nahm das Seil gar nicht wahr, das ihm heftig in die Hüfte schnitt und ihn taumeln ließ.
    Er spürte nichts davon.
    Cal war tot.
    Dieses Mal hatte Will keine Fragen mehr. Er hätte das Leben seines Bruders retten können, wenn er sich den Zwillingen gestellt hätte.
    Doch das hatte er nicht getan.
    Schon einmal hatte er geglaubt, Cal sei endgültig verloren, woraufhin Drake ein Wunder bewirkt und ihn wiederbelebt hatte. Nun aber gab es keine Rettung, kein Happy End, dieses Mal nicht.
    Die unerträgliche Bürde lastete schwer auf Will. Er und nur er allein war verantwortlich für den Tod so vieler Menschen. Er sah ihre Gesichter vor sich: Onkel Tarn. Großmutter Macaulay. Menschen, die alles für ihn getan hatten, Menschen, die er geliebt hatte.
    Und es führte kein Weg an der Tatsache vorbei, dass er auch seinen Stiefvater, Dr. Burrows, sehr wahrscheinlich verloren hatte. Er würde ihn nicht wiedersehen, nie mehr. Wills Traum war geplatzt wie eine Seifenblase.
    Eine erneute Salve der Grenzer beendete die Feuerpause, wobei das Sperrfeuer dieses Mal noch heftiger einsetzte als zuvor. Prompt schrien Chester und Elliott erneut panikartig auf ihn ein, um zu ihm durchzudringen.
    Doch Will hörte überhaupt nichts mehr um sich herum, als hätte jemand die Lautstärke heruntergedreht. Sein glasiger Blick wanderte über Chesters mitgenommenes, verzweifeltes Gesicht, während sein Freund ihn in wenigen Metern Entfernung aus Leibeskräften anschrie. Der Schrei verpuffte – selbst seine Freundschaft mit Chester war ihm genommen worden.
    All das, worauf er vertraut hatte, sämtliche Sicherheiten und Stützen in seinem unbeständigen Leben, waren ihm nacheinander entrissen worden.
    Das entsetzliche und eindringliche Bild vom Tod seines Bruders hatte sich in sein Hirn gebrannt. Dieser letzte Moment löschte alles andere aus.
    »Genug«, sagte er, dieses Mal mit ruhiger Stimme.
    Es war seine Schuld, dass Cal sein Leben verloren hatte.
     
    Um diese Tatsache ließ sich nicht herumreden. Es gab keinen Raum für Ausreden, kein Pardon.
     
    Die Anspannung in ihm wuchs so stark an, dass er das Gefühl hatte, als drohe in ihm etwas zu zerreißen.
    Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, weil Cals lebloser Körper an ihm zerrte. Die Grenzer feuerten weiter auf ihn, doch seine Gedanken waren ganz woanders – nichts davon hatte für ihn noch irgendeine Bedeutung.
    Chester kauerte am oberen Absatz der Steintreppe und gestikulierte und schrie noch immer auf Will ein. Doch er drang nicht zu ihm durch.
    All dies ging an Will vorbei.
    Er machte einen steifen Schritt auf den Trichter zu, ließ sich von dem Gewicht immer näher an den Abgrund ziehen.
    Chester kam direkt auf ihn zu, streckte die Hand aus und schrie heiser seinen Namen.
    Will schaute auf und sah ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal.
    »ES TUT MIR SO LEID, WILL!«, schrie Chester. Als er erkannte, dass Will ihm zuhörte, wurde seine Stimme sonderbar ruhig. »Komm her. Alles wird gut.«
    »Wirklich?«, fragte Will.
    Trotz der verheerenden Lage, in der sie sich befanden, erschien es ihm in diesem Augenblick, als wären sie abgeschirmt von all dem Schrecken und der Angst um sie herum. Chester nickte und lächelte ihn kurz an. »Ja, und mit uns beiden auch«, erwiderte er. »Es tut mir leid.« Offenbar entschuldigte er sich für die grausame Art und Weise, in der er Will behandelt hatte, da er erkannte, dass er für die schiere Mutlosigkeit seines Freundes mitverantwortlich war.
    Ein winziger Hoffnungsfunke keimte in Will auf.
    Sein Freund war ihm geblieben – nicht alles war verloren, und irgendwie würden sie schon aus dieser Sache wieder herauskommen.
    Will machte einen Schritt und streckte Chester die Hand entgegen.
    Er machte weitete Schritte, immer schneller, verkürzte den Abstand zwischen Chester und sich, bis er nicht mehr aus eigenem Antrieb lief, sondern sich vom Seil ziehen ließ. Am äußersten Rand des Trichters angekommen, wollte er gerade Chesters Hand ergreifen …
    Als die Rufe der Rebecca-Zwillinge
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