Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman
Autoren: Daniela Danz
Vom Netzwerk:
zu ihm? Er ist in Lausanne, antwortete Zoran, weiter war nichts aus ihm herauszubekommen. Er verabschiedete sich für die Nacht, und ich blieb allein in der ganz unbewohnt wirkenden, schmalen Küche. Jetzt verstand ich das lähmende Gefühl, das mich gleich beim Betreten der Wohnung befallen hatte. Sein Vater war in dieser Wohnung immer noch präsent, seine Präsenz verstärkte sich sogar durch die Abwesenheit seines Gesichtes. Zorans Mutter mußte sich noch Jahre nach seiner Flucht wie ein Kaninchen in ihrer eigenen Wohnung unter seinen unnachgiebigen Augen geduckt haben. Ich verstand nicht, warum sie nicht weggezogen war. Zoran hatte gesagt, es sei für sie die einzige Möglichkeit, seine Macht über ihr Leben zu brechen. Das Geschehene ticke in ihr wie eine Bombe, und das sei die einzige Möglichkeit für sie, sie zu entschärfen, bevor sie hochginge. Aber es sei ihr bis jetzt nicht gelungen. Vielleicht schafft sie es, hat er gesagt, sie ist zäh, sehr zäh.
Rückfahrt
    Auf der Rückfahrt dachte ich über Ianna nach. Zoran war schweigsam, und die Landschaft kannte ich auch schon. Mir fiel ein, daß ich eigentlich gar nicht wußte, ob Ianna Serbin war. Ich fragte Zoran, ob Ianna ein serbischer Name sei, aber er sagte nur, daß er auf diese Art Menschenkenntnis nichts gäbe, sie sei ihm zu gefährlich geworden. Er fragte mich, was ich heute noch tun wolle. Ich wußte es nicht, das heißt, ich wußte, daß ich mit Ianna in meinem Turmzimmer sitzen und ihr zuhören wollte, aber das sagte ich nicht. Er bot mir an, mich zum Hotel zu fahren, und da ich ohnehin knietief in seiner Schuld stand, nahm ich an, obwohl ich wußte, daß er selbst bei Freunden am Rand von Novi Beograd wohnte. Kurz bevor wir ankamen, sagte Zoran, ich war froh, daß du mitgekommen bist. Ich wollte nicht allein in der Wohnung schlafen, das wäre so gewesen, als ob ich unterschreiben würde, daß sie nicht zurückkommt. Seit sie bei meinem Bruder ist, habe ich nichts mehr von ihr gehört, das mit dem Bett war meine Idee, um sie wieder herzuholen. Aber wer weiß, ob sie es erfährt. Ich war erleichtert, jetzt endlich den Grund zu kennen, obwohl ich mich auch schon daran gewöhnt hatte, nicht zu verstehen, warum er mich mitgenommen hatte. Ich dankte ihm und hoffte wirklich, ihn einmal wiederzusehen.
Handtücher
    Ianna hatte Dienst. Sie schien sich über meine Rückkehr zu freuen und wollte gleich mit nach oben kommen, um mir ein paar frische Handtücher ins Zimmer zu bringen. Ich bot ihr an, daß ich sie selbst mitnehme, aber sie lehnte zu meiner Freude vehement ab, es gebe heute an der Rezeption sowieso nichts zu tun. Als ich nach meiner kleinen Reise nun mit Ianna die Stufen zu meinem Zimmer hinaufstieg, fand ich es mit einem inneren Lächeln gar nicht mehr unverständlich, daß ich ausgerechnet dieses Zimmer gewählt hatte. Es war nicht mehr wie das Herausfallen aus allen Zusammenhängen, sondern als hätte ich das erste Mal mein inneres Territorium betreten. Ianna schien auch zu finden, daß sie mich gut beraten hatte. Als wir etwas außer Atem vor der Tür standen, fragte sie mich, ob ich schon mal einen Sonnenuntergang von hier oben gesehen hätte. Ich antwortete ihr, daß er zu meinen festen Terminen gehöre und ich bis auf die letzten zwei Tage jeden Sonnenuntergang gesehen habe. Um sie festzuhalten, fragte ich sie, ob sie sich an den vom Sonntag erinnere. Ja, die Wolken lagen wie gestapelt über der Sava. Wie Wäsche in einem Schrank, weiße Wäsche, schmutziggraue und rot verfärbte Wäsche. Obwohl ich mich erinnerte, daß sie an jenem Abend Dienst hatte, fragte ich sie, ob man von der Wohnung ihrer Mutter aus auch den Sonnenuntergang sehen könne. Ich war hier, sagte sie, ich bin hier heraufgekommen, das mache ich manchmal, wenn nicht viel zu tun ist. Ich nehme mir den Schlüssel eines Zimmers und setze mich ans Fenster. In welchem Zimmer warst du, Ianna, im Nachbarzimmer? Ich fühlte mich ihr mit einemmal wieder so nah wie an dem Abend, als sie einfach zu mir gekommen war. Ich hatte es fast vergessen oder hielt es nicht mehr für wirklich. Aber dieser Moment berührte das Gedächtnis meines Körpers, und ich sagte: Dann hast du neben mir gesessen, und ich habe es nicht gewußt. Ja, sagte sie, und ich merkte ihre Traurigkeit darüber, daß unsere Geschichte vorbei war, ehe sie begonnen hatte. Daß wir einander so nah waren, um zu bemerken, daß wir uns nicht näherkommen können. Wie war es in Topola? fragte sie mich. Hast du den Grund für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher