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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
Autoren: Juergen Gottschlich
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Schaufenster der Stadt. Cafés, Kinos, Kneipen und Buchläden machen die Promeniermeile zur meistfrequentierten Straße Istanbuls. So stolpert auch fast jeder deutsche Besucher automatisch über den mühlbauerschen Laden. Im Schaufenster liegen Sachbücher über die Türkei und die Romane von der Spiegel-Bestseller-Liste. »Wir können jedoch weder von der Belletristik noch von den Sachbüchern leben«, erzählt Thomas Mühlbauer, »unser Geschäft machen wir mit Schulbüchern.« Ganz in der Nähe des Ladens ist das Deutsche Gymnasium, und auch das Österreichische Lyzeum ist nicht weit.
    Der Buchladen existiert bereits in der zweiten Generation, der Vater von Thomas hat ihn Anfang der 1950 er Jahre gegründet. »Es gab dort schon einen Buchladen«, erzählt Thomas, »mein Vater hat ihn damals einer alten Griechin abgekauft.« Nach Krieg und Gefangenschaft war der alte Mühlbauer mit einem Zirkus nach Istanbul gekommen. »Eigentlich wollte er weiter in den Iran, doch dann ist er hier hängengeblieben.« Seit damals ist Thomas mit der deutschen Community in Istanbul groß geworden. »Der Buchladen war immer auch ein Treffpunkt und eine Nachrichtenbörse für die Deutschen in der Stadt.« Das ist er bis heute geblieben. Im Foyer hängt eine Zetteltafel, an der Inga eine Wohnung sucht oder Ahmet Türkischkurse für Deutsche anbietet.
    Drinnen sieht es aus wie im guten alten Bücherladen vor 30 Jahren. Kein Entertainment wie in den modernen Kulturkaufhäusern, dafür lange Regale, auf denen man auch noch verstaubte Schätze aus den 70 ern finden kann. »Etliche Suhrkamp-Bände von damals«, lacht Thomas, »hab ich bis heute nicht verkauft.«
    Ein Teil der Besucher will aber häufig gar kein Buch. »Oft kommt jemand, der einen Job sucht und mich fragt, ob ich ihm einen Tipp geben könnte oder Leute, die eine kurzfristige Unterkunft für den Anfang suchen. Leider melden die meisten sich später nicht mehr wieder«, meint Thomas Mühlbauer. Man verliert sich dann schnell aus den Augen. Wie viele Deutsche insgesamt in Istanbul leben, wissen weder Mühlbauer noch das deutsche Konsulat und auch nicht die türkischen Behörden, die sich nicht die Mühe machen, die Deutschen unter den Abertausenden von Ausländern, die in Istanbul täglich eine Aufenthaltserlaubnis – ein sogenanntes Ikamet – beantragen, herauszufiltern. Zwischen 15000 und 30000 schätzt er, eine Zahl, die in der 13 -Millionen-Stadt zwar nicht ins Gewicht fällt, die als deutsche Community aber trotzdem deutliche Spuren hinterlassen hat.
    Deutsche, die länger in der Türkei leben, finden sich überwiegend in Istanbul oder aber am Mittelmeer zwischen Antalya und Alanya. Natürlich gibt es im ganzen Land verstreut lebende Landsleute, aber wirkliche deutsche Parallelgesellschaften findet man nur in Alanya am Mittelmeer und in bestimmten Teilen Istanbuls. Der Stadtteil Istanbuls, der unter Deutschen als ganz besonders »in« gilt, ist Cihangir.
    »In Cihangir triffst du ja an jeder Ecke einen Landsmann«, meint auch Thomas Mühlbauer. Einer der Gründe dafür ist die zentrale Lage, der andere die Ästhetik und die Atmosphäre des Stadtteils. Cihangir ist unter den europäisch geprägten Vierteln Istanbuls das europäischste. Entlang der Siraselviler Caddesi, die sich vom zentralen Taksim-Platz zum Bosporus hinunterschlängelt, tummeln sich Kneipen, Restaurants, Hotels und Supermärkte, die genauso in München oder Berlin stehen könnten. Die Straßenzüge in Cihangir erinnern an manche Viertel im Westberliner Charlottenburg, die meisten Häuser sind Ende des 19 ., Anfang des 20 . Jahrhunderts im europäischen Stil erbaut. Der größte Unterschied zu Berlin ist ihre Lage. Cihangir liegt an einem Hang, der bis zum Bosporus hinunterführt. Fast jede Wohnung in den meist fünfstöckigen Häusern hat ab der dritten Etage einen phantastischen Blick aufs Wasser.
    Auf halber Höhe findet man das Alman-Hastanesi, das Deutsche Krankenhaus, das heute zwar einem privaten türkischen Krankenhaus-Konzern gehört, aber immer noch zu den besten Hospitälern der Stadt zählt. Ein paar Meter weiter hat die ARD ihr großes Türkei-Studio mit einem wunderbaren Blick von der Dachterrasse auf die gegenüberliegende Altstadt und den Bosporus, und in einer Seitenstraße der Siraselviler steht die »Villa Zürich«, das beste Hotel im Viertel. Im Stadtteil Cihangir leben die linksliberale Intelligenz Istanbuls und eben viele Deutsche und andere Ausländer, die neben der Atmosphäre auch
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