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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
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sie sich damals zur Scheidung entschlossen hatte, so nicht zuletzt deshalb, weil sie befürchtet hatte, er könnte Melanie durch sein eigenes zwanghaft-obsessives Verhalten anstecken. 
    »Er legte beispielsweise hinter unserem Haus einen kunstvollen japanischen Garten an und brachte monatelang jede freie Minute damit zu, ihn zu verschönern. Er hatte sich fanatisch in den Kopf gesetzt, dieser Garten müsse perfekt werden. Jede Pflanze, jeder Stein mußte seinen Idealvorstellungen genau entsprechen. Jeder Bonsai-Baum mußte so vollkommen proportioniert, so fantasievoll und harmonisch gewachsen sein wie in den Büchern über asiatische Gartenarchitektur. Und von mir erwartete er die gleiche Begeisterung für dieses Projekt - wie für jedes Projekt, das ihn fesselte. Aber ich konnte keinen derartigen Enthusiasmus aufbringen. Und ich wollte es auch nicht. Er war in allen Dingen ein solcher Perfektionist, daß es keinen Spaß machte, etwas gemeinsam mit ihm zu unternehmen. Alles artete in schwere Arbeit aus. Es war ein zwanghaftes Verhalten, eine Art Besessenheit, und trotz all seines Enthusiasmus machten seine diversen Beschäftigungen ihm keine Freude, weil ihm ganz einfach die Zeit fehlte, sich zu entspannen und sich zu freuen.«
    »Das hört sich so an, als sei es ganz schön anstrengend gewesen, mit ihm verheiratet zu sein«, kommentierte Haldane. »Das kann man wohl sagen! Nach kurzer Zeit wirkte seine permanente Begeisterung nicht mehr ansteckend, weil kein geistig gesunder Mensch ständig in einem fiebrigen Erregungszustand leben kann. Dylan wirkte auf mich nicht mehr belebend, sondern nur noch... ermüdend. Es machte mich verrückt, nie einen Moment der Entspannung, der Ruhe zu haben. Damals hatte ich meine Promotion bereits abgeschlossen und unterzog mich einer Psychoanalyse -das ist eine unerläßliche Voraussetzung für jeden, der als Psychiater praktizieren möchte. Mir wurde klar, daß Dylan ein schwer gestörter Mann war, daß er seinen Enthusiasmus nicht einfach übertrieb, sondern - wie ich schon sagte - zwanghaft obsessive Züge hatte. Ich versuchte ihn zu einer Psychoanalyse zu überreden, aber für diese Idee konnte er sich nicht im geringsten begeistern. Schließlich sagte ich ihm, daß ich mich scheiden lassen wolle. Ich kam aber nicht einmal dazu, die Klage einzureichen. Gleich am nächsten Tag plünderte er nämlich unsere gemeinsamen Konten und verschwand mit Melanie. Ich hätte es vorhersehen müssen.«
    »Warum?«
    »Weil er in bezug auf Melanie genauso besessen war wie in allen anderen Dingen. Sie war in seinen Augen das schönste, intelligenteste, hinreißendste Kind, das je gelebt hatte, und er legte immer größten Wert darauf, daß sie perfekt gekleidet war und sich perfekt benahm. Sie war erst drei Jahre alt, aber er brachte ihr das Lesen bei und versuchte ihr auch Französisch beizubringen. Einer Dreijährigen! Er sagte, in ganz jungem Alter lerne man am leichtesten. Das stimmt tatsächlich. Aber es ging ihm eigentlich gar nicht um Melanie. 0 nein! Es war ein egoistisches Verhalten - er wollte ein vollkommenes Kind haben. Ihm war der Gedanke schlichtweg unerträglich, sein kleines Mädchen könnte vielleicht nicht das hübscheste, klügste und aufgeweckteste Kind der Welt sein.« Sie verstummte, und für kurze Zeit war es im Zimmer sehr still.
    Der Regen klopfte ans Fenster, trommelte aufs Dach, floß gurgelnd durch die Abflußrinnen.
    Schließlich sagte Haldane leise: »Ein solcher Mann wäre imstande...« Sie fiel ihm ins Wort. »Ja, er wäre imstande, mit seiner eigenen Tochter zu experimentieren, sie sogar irgendwelchen Torturen auszusetzen, wenn er glauben würde, sie auf diese Weise fördern zu können. Oder aber, wenn er von der Idee besessen wäre, irgendwelche Experimente durchführen zu müssen, für die man ein Kind benötigt.«
    „0 mein Gott«, murmelte Haldane in einer Mischung aus Abscheu, Entsetzen und Mitleid. Laura begann zu weinen. Der Detektiv trat an den Tisch heran und setzte sich neben sie. Sie wischte ihre Augen mit einem Kleenex-Tuch ab. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Alles wird wieder gut werden.« Sie nickte, putzte sich die Nase. «Wir werden sie finden«, versicherte er.
    »Ich befürchte, nein.«
    »Doch.«
    »Ich befürchte, daß sie tot ist.«
    »Das ist sie nicht.«
    »Ich habe Angst.«
    »Das dürfen Sie nicht.«
    »Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Ich weiß.«
    Sie vertiefte sich eine halbe Stunde in Dylans Eintragungen, aus denen sie
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