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Tür ins Dunkel

Tür ins Dunkel

Titel: Tür ins Dunkel
Autoren: Dean R. Koontz
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Zunge über die trockenen Lippen »Und wenn es nun nicht Melanie ist? Ich möchte mi keine vergeblichen Hoffnungen machen und...«
    »Es ist Melanie«, versicherte er. »Hier ist ein neunjähriges Mädchen verschwunden, und sieben Blocks entfernt  wurde ein neunjähriges Mädchen gefunden. Das kann kein Zufall sein.«
    »Aber wenn nun...«
    »Mrs. McCaffrey, wovor haben Sie Angst?«
    »Was, wenn dies nun nicht das Ende des Alptraums ist?« Er starrte sie verständnislos an. »Was, wenn dies erst der Anfang ist?« fuhr sie fort. »Sie meinen, nach sechs Jahren dieser... dieser Torturen. ..?«
    »Sie kann kein normales Kind mehr sein«, murmelte Laura mit schwankender Stimme. »Das dürfen Sie nicht sagen. Es wird sich erst herausstellen, wenn Sie sie gesehen und mit ihr gesprochen haben.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Sie kann nicht normal sein. Nicht nach all dem, was ihr Vater ihr angetan hat. Nicht nach jahrelanger Zwangsisolation. Sie muß ein sehr krankes kleines Mädchen sein, zutiefst verhaltensgestört. Die Wahrscheinlichkeit, daß sie normal sein könnte, ist praktisch gleich Null.« Haldane spürte, daß es keinen Sinn hatte, sie mit leeren Phrasen beruhigen zu wollen, daß sie sich darüber nur ärgern würde. »Nein«, sagte er deshalb sanft, »nein, sie wird kein ausgeglichenes, gesundes kleines Mädchen sein. Sie wird krank und verängstigt sein; vielleicht hat sie sich in ihre eigene Welt zurückgezogen, vielleicht hat sie keinerlei Kontakt mehr zur Umwelt, und vielleicht lassen sich diese Schäden nie mehr beheben. Aber Sie dürfen eines nicht vergessen.« Laura blickte ihm in die Augen. »Was?«
    »Melanie braucht Sie.« Laura nickte. Sie verließen das Haus, in dem ein Blutbad angerichtet worden war. Regen peitschte durch die Nacht, und heftige Donnerschläge ließen die Luft erzittern.
    Haldane ließ Laura auf dem Beifahrersitz einer Limousine Platz nehmen und befestigte das Blaulicht am Wagendach. Mit heulender Sirene rasten sie zum Valley Medical.

6
    Der Arzt, der in dieser Nacht Bereitschaftsdienst hatte, hieß Richard Pantangello. Er war jung, hatte dichtes braunes Haar und einen sorgfältig gestutzten, rötlich schimmernden Bart. Er holte Laura und Lieutenant Haldane am Empfang ab und führte sie zum Zimmer des Mädchens.
    Die Korridore waren menschenleer; nur einige Krankenschwestern huschten wie Gespenster umher. Morgens um 4.10 Uhr war es in der Klinik geradezu unheimlich still.
    Dr. Pantangello berichtete unterwegs mit leiser Stimme, fast flüsternd: »Sie hat keine Knochenbrüche, keine Verstauchungen, keine Schürfwunden. Nur einen blauen Fleck am rechten Arm, direkt über der Vene; ich würde sagen, daß er von einer ungeschickt eingeführten intravenösen Injektionsnadel herrührt.«
    »Sie soll wie betäubt gewesen sein?« fragte Haldane.
    »Nun, das ist nicht ganz der richtige Ausdruck«, erwiderte Pantangello. »Sie war nicht verwirrt. Eher in einer Art Trance. Keine Anzeichen für eine Kopfverletzung, obwohl sie seit ihrer Einlieferung kein einziges Wort gesprochen hat.«
    Laura versuchte, sich dem ruhigen Tonfall des Arztes anzupassen, doch aus ihrer Stimme war die Angst deutlich herauszuhören. »Was ist mit... Vergewaltigung?«
    »Es gibt keinerlei physische Anzeichen, daß sie mißbraucht wurde.«
    Sie bogen um eine Ecke. Pantangello blieb vor Zimmer 256 stehen. Die Tür war geschlossen. »Hier liegt sie«, sagte er, während er seine Hände in die Taschen seines weißen Kittels schob.
    Laura gab sich mit seiner vorsichtig formulierten Antwort nicht zufrieden. »Sie sagten, es gebe keine physischen Anzeichen für eine Vergewaltigung, aber Sie schließen diese Möglichkeit dennoch nicht völlig aus?«
    »Nun, es gibt keine Spermaspuren in der Vagina«, erklärte Pantangello. »Keine Verletzungen an den Schamlippen oder an den Wänden der Vagina.«
    »Was bei einem Kind dieses Alters unweigerlich der Fall wäre«, fügte Haldane hinzu. »Ja. Und ihr Hymen ist unversehrt«, fuhr der Arzt fort. »Dann ist sie bestimmt nicht vergewaltigt worden«, erklärte Haldane.
    Laura war keineswegs beruhigt, denn sie sah Sorge und Mitleid in den freundlichen Augen des Arztes.
    Mit leiser, bedrückter Stimme sagte er: »Sie wurde nicht zum normalen Geschlechtsverkehr gezwungen. Das können wir ausschließen. Aber... nun ja, ich kann nicht mit Sicherheit sagen...« Er räusperte sich. Laura spürte, daß diese Unterhaltung für den jungen Arzt kaum weniger qualvoll war als für sie
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