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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh
Autoren: Ilaria Palomba
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grüßt die Frau mit der Kochschürze flüchtig und haut ab. Donato weint, aber Stella weiß es nicht.
    Die Vorstellung, zu Fuß nach Hause zu gehen, gefällt ihr überhaupt nicht. Die Tränen fühlen sich an wie Regentropfen, die über ihre Wangen rinnen. Auf der Brücke herrscht dichter Verkehr. Der Himmel ist ein Kondensat der Farben Rot, Dunkelblau, Violett. In der Jeanstasche vibriert ihr Handy.
    So ein Scheiß, warum müssen die beiden mir so auf die Nerven gehen?
    Sie holt das Handy raus. Es sind nicht ihre Eltern.
    »Hey Mädchen, wir sind alle hier versammelt, Marco ist auch da.«
    Sie spürt, wie sich ihr Magen zusammenzieht.
    »Weißt du, dass du deine Jacke bei uns im Auto gelassen hast?«, sagt Carla.
    »Stimmt, hatte ich schon vergessen.«
    »Wenn du willst, kann ich sie dir nach Bari mitbringen, in die Uni zum Beispiel.«
    »Du würdest mir echt einen Gefallen tun.«
    »Oder du kannst hierher zu uns kommen.«
    »Ich zu euch?«
    »Zum Beispiel am Mittwoch.«
    »Am Mittwoch?«
    »Wir wollen alle zusammen zu Abend essen.«
    Und mich reicht ihr als Hauptspeise rum.
    »Ich weiß noch nicht.«
    »Überleg es dir.«
    »Mach ich.«
    »Sag mir Bescheid.«
    »Ok, ich komme.«
    Stella beschleunigt den Schritt. Die Autos rasen vorbei. Es wird dunkel.
    Und so gerät das kleine Mädchen in die Löwengrube. Wie wunderbar.
    Sie geht am Parkhaus entlang, der Haupteingang der Poliklinik, die gelben Hochhäuser.
    Nee nee, meine Lieben, ich werde nicht den Part des unschuldigen, naiven Mädchens übernehmen.
    Sie geht weiter, über die Ampel, überquert die Straße, kommt an der Bäckerei vorbei.
    Ich gehe nicht mit leeren Händen nach Sarignano. Ich bringe ihnen ein schönes Geschenk mit.
    Sie tippt auf dem Handy herum und findet die Nummer von Sabino, dem Fixer. Sie kennt ihn eigentlich nicht so gut, aber er hängt auch im alten Krankenhaus rum.
    »Ich bin Stella, die Blonde vom letzten Wochenende.«
    »Hey, du Schönheit, wie geht’s?«
    »Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
    »Hab’ verstanden. Wann?«
    »So bald wie möglich.«
    »Komm zur Piazza Umberto. Ich bin da.«
    Sehr gut, Stella, du bist dabei, dich in die Zone der Ausgestoßenen zu begeben.
    Zwischen den Palmen und Zedern, in den Beeten, auf den Bänken, an den Rändern des Platzes die Punkabbestia; Assis, Schnorrer und Fixer, aber vor allem Hundebesitzer . Sie dealen nicht direkt dort, Piazza Umberto ist eher ihr Treffpunkt. Treffpunkt aller Außenseiter: Einwanderer, Obdachlose, Straßenhändler, alte Leute. Die Punkabbestia versuchen, nicht groß aufzufallen, stehen möglichst weit von dem Brunnen und dem Unieingang.
    Stella zieht sich die Kapuze über den Kopf. Wenn jemand sie dort sieht und es ihren Eltern erzählt, bedeutet das jede Menge Stress.Sie nerven schon, weil sie nachts nicht nach Hause kommt, es fehlte gerade noch, dass sie sie auf der Piazza Umberto bei den Punkabbestia erwischen.
    Die Hände in den Taschen, die Kapuze über dem Kopf schlendert sie zwischen den Beeten entlang. Sie sieht einen Typ mit zerrissener Hose und einer Mütze voller Anstecker. Er lehnt an einem Baum und setzt sich einen Schuss.
    Bloß nicht hingucken.
    Sie geht noch ein bisschen herum. Hört jemanden, der die Passanten nach Kleingeld anschnorrt. Sie kommt zu einer halbzerfallenen Bank: Eine Gruppe Leute mit Piercings und Hunden. Einer von ihnen ist Sabino.
    »Hey!«, sagt sie und klopft ihm auf die Schulter.
    Der Kerl ist aufgeregt und zittert wie Espenlaub.
    »Na, Schönheit«, sagt er und umarmt sie.
    Er will ihr ein paar Freunde vorstellen.
    Stella blickt sich um, und allein der Gedanke lässt sie erschaudern.
    Zombies? Nein danke.
    »Ich hab’ es eilig.«
    Sabino lässt es sich nicht zweimal sagen, grüßt einmal in die Runde, hängt sich bei ihr ein, und sie gehen los.
    »Wo gehen wir hin?«, fragt er mit einem rauen Unterton in der Stimme.
    »Ich hab’ ein Zimmer, gleich hier im Zentr ...« Sie stockt mitten im Satz.
    Bist du schwachsinnig? Willst du so etwas mit zu dir nach Hause nehmen?
    »Nee, warte mal, da fällt mir gerade ein, geht doch nicht. Wird momentan renoviert«, korrigiert sie sich.
    »Gehen wir zu mir?«, fragt Sabino.
    Vom Regen in die Traufe.
    »Wohnst du allein?«
    »Nee, da sind noch ein paar Typen, aber voll entspannt.«
    Das heißt Fixer.
    »Na gut, lass uns zu dir gehen.«
    Den ganzen Weg lang tut Sabino nichts anderes, als auf seinem Lippenpiercing rumzukauen, zu zittern und Stella zu sagen, dass sie eine verdammt heiße Frau
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