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Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention

Titel: Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
Autoren: Linda Maria Koldau
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Veranstaltungen und Übungen – schulen daher die
preparedness
, das Bereitsein für die Gefahr.
    Eine wichtige emotionale Funktion erfüllt die Weitergabe von Erlebtem durch Erzählungen, über die Familiengeschichte und in Gedenkstätten: Hier geht es nicht um trockenes Faktenwissen, sondern um das Schicksal von Vorfahren, Familienmitgliedern, Nachbarn und Freunden. Gerade in Kulturen, die stark auf familiärer Bindung und Tradition basieren, haben solche Vergegenwärtigungen ein großes Gewicht. In Japan wird die Pflege von Familienerinnerungen als wesentlich nicht nur für die Familie, sondern für die Gesellschaft als Ganzes angesehen. In Kobe wurde daher 2006 ein internationales Netzwerk für die Aufzeichnung und Tradierung von
Life Lessons
, Lebenslektionen aus Katastrophen, eingerichtet. In den gefährdeten Gebieten des Landes erinnern zudem Gedenksteine an Tsunamis vergangener Jahrhunderte, die ansonsten nicht mehr dokumentiert sind. Die eingemeißelten Informationen über die Ausbreitung des Tsunamis und das Ausmaß der Schäden, die er angerichtet hat, machen den heutigen Menschen die latente Gefährdung präsent.
    Kennzeichnend für den Umgang mit der Katastrophe in Japanist der Leitspruch
«tsunami tendenko»
: In einem Tsunami steht jeder für sich selbst. Jeder muss selbst um sein Leben laufen, ohne sich auf andere zu verlassen – aber auch, ohne auf andere zu warten. Das bedeutet, dass im Notfall Kinder und alte Menschen zurückgelassen werden müssen. Dieses harte Prinzip basiert auf uralten Mustern genealogischen und kollektiven Denkens: Wenigstens einer in der Familie soll überleben, und die Dorfgemeinschaften sollen zumindest durch einzelne Familienvertreter möglichst weit erhalten bleiben.
    Auch Ausstellungen und Museen dienen der Weitergabe kollektiven Wissens in einer «Katastrophenkultur». Dies ist besonders überzeugend und effektiv, wenn sie von Küstenbewohnern für Küstenbewohner erstellt werden. Das Pacific Tsunami Museum auf Hawaii etwa wurde 1997 durch eine lokale Initiative eingerichtet, erhielt sein Gebäude durch die Spende einer örtlichen Bank und wird fast durchweg von ehrenamtlichen Helfern betrieben. Seine Besucher sind in erster Linie Bewohner der Region, darunter viele Schulklassen, aber auch interessierte Touristen.
    Grundsätzlich sind Zugezogene oder Touristen der Tsunamigefahr stärker ausgesetzt als Einheimische, da sie nicht mit der notwendigen «Katastrophenkultur» aufgewachsen sind. Das Geoforschungszentrum Potsdam hat in Reaktion auf den Tsunami von 2004 ein weltweit gültiges Informationsblatt herausgegeben, in dem vorbeugende Fragen für Tsunamiregionen aufgelistet sind:
    – Steht das Hotel (oder das Wohnhaus oder Arbeitsgebäude) im Falle eines starken Tsunamis im Überflutungsgebiet?
    – Wenn dies der Fall ist: Wie ist das Gebäude in Hinsicht auf Stabilität, Solidität der Gründung und Höhe einzuschätzen?
    – Können mehrstöckige solide Gebäude in der Nähe als Zufluchtsort benutzt werden?
    – Gibt es für den Ort oder die Bucht bereits einen Plan mit Evakuierungswegen, Sammelstellen, Notunterkünften?
    – Wie weit ist es bis zur nächsten Geländeerhebung oder zu anderen geeigneten Zufluchtsorten – können sie zu Fuß erreicht werden?
    – Existieren bereits ein Frühwarnsystem und Tsunamimanagement?
    – Welches sind die geltenden Alarmsignale und Verhaltensregeln?
    – Ist das Hotelmanagement oder die Gebäudeverwaltung darauf vorbereitet, die Bewohner zu alarmieren und kompetente Verhaltensanweisungen zu geben?
    – Wenn ja, welcher Art sind diese Anweisungen und über welche Medien werden sie verbreitet?
    Die Verfasser des Informationsblatts machen darauf aufmerksam, dass man sich mit solchen Fragen in manchen Regionen vor Ort nicht unbedingt beliebt macht. Noch lange existiert nicht überall das notwendige Bewusstsein für präventives Handeln, geschweige denn die erforderliche Infrastruktur. Gerade wiederholtes Nachfragen könnte jedoch die lokalen Behörden darauf aufmerksam machen, dass auch für auswärtige Gäste Bedarf an Katastrophenvorbeugung besteht.
    Wie aber ist zu handeln, wenn der Ernstfall eintritt? Erste Antwort: Sofort! – Warten auf Radiomeldungen, Fernsehnachrichten oder persönliche Anrufe hat schon viele Menschen das Leben gekostet. Existiert in der Region ein Frühwarnsystem, so wird der Tsunami über Sirenensignale, Küstenfunk oder andere Medien, inzwischen auch per E-Mail und SMS, angekündigt. Unabhängig von
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