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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus
Autoren: Algis Budrys
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Präsident der Erde und des Sonnensystems.“ Alle standen auf – ein Zimmer voll alter Männer.
    Ralph Wireman, der hereinkam, schaute nicht jünger aus.
     
    *
     
    Er war mager, mit hängenden Schultern. Harmon bemerkte das abgetragene Aussehen seines Anzugs. Der schlaffe, ausgebeulte Stoff war so fadenscheinig geworden, daß er weder durch Reinigung noch durch Bügeln in eine Form zu bringen war.
    Er sah müde aus. Das schwarze Haar war schütter und weiß geworden. Tiefe Furchen hatten sich in seine hohlen Wangen gegraben. Die Nase war schärfer hervorgetreten, die Lippen waren bläulich. Seine charakteristische Energie war vollkommen verschwunden, hatte sich in Zähigkeit und hartnäckige Entschlossenheit verwandelt.
    Das letztemal hatte Harmon in seinen Augen noch einen Kern von Lebenskraft entdeckt. Aber heute abend war auch dieser letzte Funke verschwunden.
    „Meine Herren.“ Er atmete röchelnd.
    „Guten Abend, Herr Präsident“, sagte Harmon und wünschte, er wäre nicht gekommen.
    „Guten Abend, Tom.“
    Im Chor sagten nun alle übrigen: „Guten Abend“ und setzten sich wieder hin. Harnes blieb aufmerksam neben dem Stuhl des Präsidenten stehen.
    Was es nur heute wieder sein mag? dachte Harmon. Als sie nach Cheiron gekommen waren, hatten diese Sitzungen noch Leben in sich gehabt, sie waren noch zweckmäßig gewesen: Konferenzen mit der Regierung von Cheiron, Sitzungen mit den Beamten der Centaurus-System-Organisation, Finanzen mußten geregelt werden. Sie hatten viel zu tun gehabt. Aber alle diese organisatorischen Angelegenheiten waren mit der Zeit geregelt. Die Einladungen, zum Centaurischen Kongreß zu sprechen, nahmen ein Ende. Beschlüsse wurden wohl gefaßt und niedergeschrieben, vom Centaurischen Kongreß jedoch nicht einmal mehr gelesen. Nach und nach waren sie alle müde geworden.
    Früher hatte noch Hoffnung bestanden. Sie hatten sogar daran gedacht, die Centaurer würden Krieg mit den Eindringlingen führen und die Erde befreien. Aber deren Interessen hatten sich der eigenen Einflußsphäre zugewandt. Ihre Erinnerungen an die Erde, vierhundert Jahre zurückliegend, waren legendär geworden. Sie dachten wohl manchmal an die entfernte, altertümliche kleine Welt, wollten es aber nicht riskieren, im Falle einer Niederlage die Wut und Zerstörung der eigenen Welt durch die Sieger herbeizuführen.
    Die Regierung war im Exil zwanzig Jahre älter geworden.
    Harmon schaute wieder zu Wireman und fragte sich, ob nun endlich alles vorüber sei für heute abend.
    Aber Wireman rückte nicht sofort mit der Sprache heraus. Er hielt sich an das alte System und wartete auf die üblichen einleitenden Berichte, die wie damals in Genf erstattet wurden, als noch ein Heer von Angestellten Überblicke und Kritiken der Vorfälle einer Woche anfertigte.
    „Edward?“ hauchte Wireman.
    Stanley stand auf. Seine ausgetrockneten Wangen zuckten. „Nichts Neues. Die Centaurische Regierung hat das übliche monatliche Tröpfchen unserer Vermögenswerte freigegeben. Ich stellte wie immer den Antrag auf Erhöhung der Summe und bekam die übliche Antwort, daß die Forderungen der feindlichen Regierung auf Herausgabe von Vermögenswerten der Erde hier noch überprüft werden müßten.“
    Wireman nickte gequält. „Karl?“
    Hartmann, der Oberstaatsanwalt, stand auf, als Stanley sich niedergesetzt hatte. „Die letzte Forderung der Eindringlinge wird vom Obersten Gerichtshof behandelt. Ich führte die üblichen Präzedenzfälle an, die eine Erfüllung dieser Forderung nicht gestatten.“
    „Ich glaube, das ist klar“, sagte Wireman. „Die Centaurus-System-Organisation sympathisiert mit uns. Aber es wäre dumm von ihnen, zu unserem Wohl einen Krieg mit unserem Feind einzugehen. Sollten vielleicht einmal die Interessen der Centaurer und der Eindringlinge so weit auseinandergehen, daß dadurch ein Krieg verursacht wird, dann können wir damit rechnen, daß das Oberste Gericht plötzlich Präzedenzfälle entdeckt, die endgültig für uns sprechen.“
    Immer dieselbe Tretmühle, dachte Harmon. Wir leben und üben unsere Funktionen weiterhin aus. Oder vielleicht tun wir das gar nicht mehr.
    Hartmann hatte wieder Platz genommen, und nun streckte sich Wireman ein wenig.
    Jetzt kommt es, dachte Harmon erwartungsvoll.
    „Meine Herren.“ Wiremans Stimme klang sehr alt und sehr müde. „Wir nähern uns einer unerwarteten Krise.“ Er schaute zu Harmon, hilfesuchend, aber Harmon wußte noch immer nicht, welche Art von Hilfe er
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