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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus
Autoren: Algis Budrys
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Tode steinigen.
    Es ist nicht Fähigkeit. Er machte Fehler, eine ganze Menge. Sie schienen das gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie gaben ihm Zeit, sie auszubessern, wo sie bei keinem anderen gewartet hätten.
    Es ist nicht Popularität. Jeder hat einige Anhänger, und er hatte nicht mehr als üblich. Viel mehr haßten ihn. Aber sie waren abhängig von ihm, und er erregte ihre Aufmerksamkeit. Er brauchte nur vorbeizufahren mit starrem Gesicht, im Fond seines Wagens. Sie schrien sich die Kehlen heiser; links und rechts fielen Frauen in Ohnmacht. Es war wie im Zirkus Maximus. Beim Anblick des großen Tieres wurden sie hysterisch. Er war nicht wie das Volk. Sie konnten ihn nicht lieben.
    Es ist nicht Furcht. Zuerst glaubte ich daran, bis ich sah, daß er den Chef der Geheimpolizei einsperren ließ. Als dieser starb, wurde er durch keinen Furchteinflößenden ersetzt, und dennoch änderte sich die Haltung der Leute nicht.
    Es liegt auch nicht an tüchtigen Ratgebern. Der Staatssekretär, der die neue Verfassung für ihn entwarf, lebte nicht lange genug, um zu sehen, daß die alten Methoden nach einem Vierteljahrhundert feindlicher Herrschaft nicht mehr anwendbar waren. Wireman überarbeitete alles, überarbeitete es so lange, bis alles vorbildlich funktionierte.
    Nein, er hatte etwas in sich, was ich wahrscheinlich nie haben werde. Das Volk wird mich akzeptieren, weil ich augenblicklich der Beste bin, den sie haben. Aber sie werden erkennen, daß ich kein Wireman bin. Mein wird die Erde sein, um sie zu behüten und alles, was auf ihr ist, aber ich werde nie so sein wie er.“
    Er dachte nach über den Schluß der letzten und wahrscheinlich treffendsten Wireman-Biographie. Er hatte das Buch nach der Veröffentlichung im November vorigen Jahres sehr genau studiert und konnte es größtenteils auswendig:
    Manchmal gereizt, immer zurückhaltend – sogar der Ausdruck „wunderlich“ muß zu seiner Beschreibung herangezogen werden – stur, zäh; alle diese Eigenschaften sind Teile Wiremans. Sein Gesicht ist uns so vertraut wie jenes, das wir jeden Morgen in unseren Spiegeln sehen. Seine Stimme ist nicht zu verkennen. Wir jubeln ihm zu, wenn er an uns vorüberkommt, die berühmt aufrechte Gestalt, steif und bewegungslos im Präsidentenwagen. Immer allein, ohne Ratgeber, ohne Hilfe. Die entscheidende Autorität. Der Gesetzgeber.
    Wir kennen ihn. Wir wissen, was er uns gab: unsere Ehre, unsere Freiheit, unsere Selbstachtung, all das, was wir verloren hatten. Es war uns so entschwunden, daß wir es nicht einmal mehr vermißten, bis er es uns wiedergab. Ohne Furcht, ohne Vorurteil, ohne Bedenken – notgedrungen auch ohne Freunde oder nähere Bekannte – beherrscht er die Geschichte der Erde, ohne Rivalen, denn welcher Held könnte besser als Wireman sein?
    Und dennoch, wer kennt diesen Mann wirklich? Auch das Alter hat ihn nicht weicher gemacht. Die Mächte, die ihn zu dem formten, was er ist, die allein ausgefochtenen Kämpfe, die Schrecken, die Triumphe, die Niederlagen, die er erlitten haben muß, um solche Härte zu erreichen – darüber wissen wir nichts. Es ist nirgends niedergeschrieben, niemand spricht darüber, niemand kann es auch nur vermuten. Ja, Aufzeichnungen sind da: in seinem Gesicht, in der Starre seines Blicks. Das ist aber auch alles. Was formt eine solche personifizierte Macht? Was hebt einen Menschen über seine Mitmenschen hinaus?
    Vielleicht werden wir das nie erfahren. Wir können nur dankbar sein, daß wir ihn haben.
    Robert Markham, Litt. D.
    Wiremans Time University Press,
    New York, A. C. 2512.
     
    Der junge Mann wandte sich vom Fenster ab. Auf Wiremans persönlicher Kopie dieser Biographie stand groß in der charakteristischen Handschrift des alten Mannes: „Quatsch!“
    Was sollte er davon halten?
    Er verließ das Büro, nahm den Fahrstuhl und stieg in den wartenden Wagen ein. Andere Autos begannen ebenfalls wegzufahren. Andere junge Männer saßen in den Fonds ihrer Wagen; alle sahen ernst und gedankenvoll aus.

 
1.
     
    Vierundfünfzig Jahre früher und vier Lichtjahre von der Erde entfernt läutete das Telefon in der Hauptküche des Royal Cheiron Hotels. Ein Küchenjunge hob ab. Thomas Harmon, der oberste Küchenchef, nahm gar keine Notiz davon. Er kostete gerade eine Sauce, die ein Koch zubereitet hatte. Zwanzig Jahre war er schon hier, hatte es vom Küchenjungen bis zu seiner gegenwärtigen Position gebracht, und er war nicht mehr jung gewesen, als er begonnen hatte. Sein Geschmackssinn
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