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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus
Autoren: Algis Budrys
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jedoch hatte sich immer verbessert, während alle anderen Sinne langsam nachließen und an Kraft verloren. Er war ein guter Chef – nicht ganz so gut wie sein Ruf, vielleicht, aber gut.
    Der Koch schaute ihn ängstlich aus gold-braun gesprenkelten Augen an. Bereits in diesen wenigen Jahrhunderten, die seit der Gründung der Kolonie auf Centaurus vergangen waren, war dieses Merkmal zur Unterscheidung von den Menschen auf der Erde aufgetreten.
    Harmon nickte bedächtig. „Gut“, sagte er, „aber ich würde noch ein wenig Jonesgrass dazugeben.“ Jonesgrass entsprach nicht ganz dem Geschmack von Thymian, aber Thymian wuchs nicht auf Cheiron, das war Alpha Centaurus IV. Jonesgrass mußte eben auch recht sein. „Aber nur ein ganz klein wenig, Steff.“
    Steff nickte respektvoll und erleichtert. „Ganz wenig. In Ordnung, Mr. Harmon. Danke sehr.“ Harmon brummte freundlich und ging zum nächsten Koch.
    „Entschuldigen Sie, bitte, Mr. Harmon.“ Es war der Küchenjunge, der das Telefon abgehoben hatte. Harmon drehte sich abrupt um.
    „Ja, Junge?“ Sein Ton war schärfer als beabsichtigt. Aber Unterbrechungen störten ihn. Er erinnerte sich nun wieder an das Läuten des Telefons, was ihn noch mehr ärgerte. Er wußte ziemlich sicher, wer es war, der da mitten in seiner Arbeitszeit anrief.
    „Tut mir leid, Mr. Harmon“, sagte der Küchenjunge eingeschüchtert. Harmon lächelte vor sich hin. Das würde dem Jungen nicht schaden. Jedem guten Chef stand ein Schreckgespenst zur Seite, und das hatte seinen guten Grund. Die Angestellten wußten die Stellung des Chefs zu schätzen, und das gab ihnen Selbstvertrauen, wenn sie selbst einmal eine solche Position innehatten. Es bezwang auch unruhige Gemüter, ehe sie noch Gelegenheit hatten, mitten in der Arbeit eine Eselei zu begehen.
    „Nun?“
    „Es ist – es ist ein Gespräch für Sie, Sir. Sie sagen, es sei wichtig.“
    „Zweifellos“, grollte er und ging zum Telefon. Er hatte richtig vermutet. Es war Harnes, der Protokollchef von Präsident Wireman.
    „Herr Kanzler?“ fragte Harnes.
    „Ja. Was gibt’s, Harnes?“
    „Präsident Wireman hat mich ersucht, alle Mitglieder des Kabinetts zu informieren, daß er für sieben Uhr eine dringende Sitzung einberuft. Ich weiß, bis dahin ist nicht mehr viel Zeit, aber der Präsident bat mich zu betonen, daß es wichtig sei.“
    „Was ist es diesmal, Harnes? Eine weitere Resolution für den Centaurischen Kongreß?“
    „Ich weiß es wirklich nicht, Sir. Darf ich dem Präsidenten sagen, daß Sie kommen werden?“
    Harmon runzelte die Stirn. „Ja – ja, ich werde dort sein. Dennschließlich habe ich ja geschworen, die Interessen der Regierung im Exil zu wahren.“ Er legte den Hörer auf. Dann rief er seinen obersten Assistenten zu sich, teilte ihm kurz mit, daß er ihn für das Dinner vertreten müsse, und ging in seine Wohnung, um sich umzuziehen.
    Seiner Position entsprechend war die Wohnung schön gelegen und das Schlafzimmer äußerst komfortabel eingerichtet. Angrenzend befand sich ein luxuriöser Salon, den Harmon kaum benützte. Zehn Jahre war er nun schon Witwer, ein Mann mit Gewohnheiten. Er brauchte nicht mehr als ein Zimmer.
    Er nahm einen Anzug heraus, den der Hoteldiener heute morgen in den Schrank gehängt hatte, und legte ihn aufs Bett. Langsam kleidete er sich an, freute sich über den weichen, teuren, perfekt geschneiderten Stoff und betrachtete sein Spiegelbild. Schlank, mit einem kleinen Schmerbäuchlein und den grauen Schläfen, hätte man ihn leicht für den Besitzer des Royal Cheiron und nicht für ein Mitglied des. Personals halten können.
    Über das Zimmertelefon bat er, seinen Wagen vor dem Seiteneingang vorzufahren.
     
    *
     
    Langsam fuhr er in den Teil von Cheiron City, in dem Präsident Wireman wohnte. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf den fahlblauen Himmel mit der kräftigen gelben Sonne und dem matten, kleineren Mond. Am Anfang hatte ihn das Ungewohnte daran in seinen Bann gezogen. Er hatte hingestarrt wie ein Hinterwäldler auf einen Wolkenkratzer. Das Gefühl des Neuen hatte sich dann freilich abgeschwächt, aber müde war er dieses Anblicks nie geworden.
    Er kam nun durch enge Straßen und dachte daran, wie weit weg die Erde und ihr Sonnensystem nun waren, an die wirklich unvorstellbare Entfernung.
    Vor vierhundert Jahren war dies der erste Stern gewesen, auf den Menschen ihren Fuß gesetzt hatten – der erste, und wie sich herausgestellt hat, der einzige. Innerhalb von
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