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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt
Autoren: L. Sprague de Camp
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vergrößern.“
    „Großartige Idee. Nachdem du dich jetzt etabliert hast, werden wir deine Kredite natürlich auf normaler Basis berechnen.“
    „Und das bedeutet?“ fragte Padway.
    „Und das bedeutet, daß der Zinssatz angepaßt werden muß. Der normale Satz ist, wie du weißt, ja viel höher.“
    „Haha“, machte Padway. „Das hatte ich mir schon gedacht. Aber jetzt, wo du weißt, daß das Geschäft gut geht, kannst du dir ja leisten, mir einen niedrigeren Zinssatz zu geben.“
    „Ay, Martinus, das ist absurd! Ist das eine Art, mit mir umzuspringen, nach allem, was ich für dich getan habe?“
    „Du brauchst mir ja nichts zu leihen, wenn du nicht willst. Es gibt andere Bankiers, die gerne amerikanische Arithmetik lernen würden.“
    „Hör’ ihn dir an, Gott! Das ist Raub! Das ist Erpressung! Ich werde nie nachgeben. Geh’ nur zu den anderen Bankiers. Dann wirst du ja sehen, was es mir ausmacht!“
    Drei Straßen weiter war der Zinssatz auf zehn Prozent gesunken. Tomasus erklärte, daß ihm sein Herz blute, aber daß er bereit sei, es auf dem Altar der Freundschaft zu opfern.
    Als Padway von einem bevorstehenden Mord gesprochen hatte, hatte er keineswegs an seine prophetischen Gaben geglaubt. So war sein Erstaunen noch größer als das von Tomasus, als sie beim Betreten seiner Werkstätte Fritharik und Hannibal sich wie zwei Kampfhähne gegenüberstehend vorfanden. Hannibals zwei Assistenten sahen zu und wandten der Tür den Rücken zu. So sah niemand Padway und Tomasus eintreten.
    Hannibal knurrte:
    „Was soll das heißen, du großer Schafskopf. Du liegst den ganzen Tag auf der faulen Haut, und dann wagst du noch, mich zu kritisieren!“
    „Ich habe nur gesagt“, brummte der Vandale in seinem schwerfälligen Latein, „daß ich dich beim nächstenmal melden würde. Das werde ich jetzt tun.“
    „Dann schneide ich dir die Kehle durch!“ schrie Hannibal, riß einen Dolch heraus und warf sich auf Fritharik. Aber Fritharik, der unbewaffnet war, war noch schneller. Seine Handkante traf den Gegner am Handgelenk, und der Dolch fiel zu Boden.
    Padway trat jetzt dazwischen und fragte:
    „Worum ging der Streit?“ Er sah Fritharik an. Der Vandale druckste herum.
    „Er hat Kupfer gestohlen und verkauft“, erklärte er dann. „Ich wollte ihn dazu bringen, daß er aufhört. In diesem Falle hätte ich dir nichts gesagt. Du weißt ja, wie es ist, wenn Kollegen glauben, man bespitzelt sie. Bitte, laß mich mit ihm abrechnen.“
    Padway verweigerte die Erlaubnis. Tomasus schlug vor, Hannibal verhaften zu lassen, aber Padway lehnte auch das ab. Er wollte mit den Behörden nichts zu tun haben. So erlaubte er Fritharik, Hannibal mit einem kräftigen Tritt ins Gesäß zur Tür hinauszubefördern.
    „Ich glaube, das war ein Fehler, Martinus“, sagte Fritharik. „Er wird uns noch Schwierigkeiten machen.“

 
4.
     
    Padway war fest entschlossen, sich durch nichts von dem Ziel abhalten zu lassen, sich einen sicheren Lebensunterhalt zu verschaffen. Bis dahin beabsichtigte er nicht, den Römern die Erfindung des Schießpulvers oder der Schwerkraft vorzuexerzieren.
    Aber die Unterhaltung mit dem Bankier über den bevorstehenden Krieg erinnerte ihn daran, daß er immerhin in einer politischen und nicht nur in einer wirtschaftlichen Welt lebte. Er hatte in seinem anderen Leben nie mehr als unbedingt nötig auf die Zeitgeschichte geachtet. Und im Rom des sechsten Jahrhunderts, wo es weder Zeitungen noch irgendwelche elektrischen Kommunikationsmittel gab, war es sogar noch leichter, den Gang der Welt um sich herum zu vergessen, soweit er einen nicht unmittelbar betraf.
    Er lebte im Zwielicht der klassischen Zivilisation. Das Zeitalter des Glaubens, besser bekannt als die finsteren Jahre, stand bevor. Vom wissenschaftlichen und technischen Standpunkt aus gesehen, stand Europa ein dunkles Zeitalter von beinahe tausend Jahren bevor. Und dieser Standpunkt war für Padway der wichtigste, wenn nicht der einzige Aspekt einer Zivilisation. Natürlich hatten die Leute, unter denen er lebte, keinen Begriff von dem, was um sie herum geschah. Der Prozeß war zu langsam, um ihn direkt beobachten zu können. Selbst wenn man eine ganze Generation zum Maßstab nahm. Die Leute hielten ihre Umwelt für selbstverständlich und brüsteten sich sogar, wie modern sie waren.
    Was also tun? Konnte ein Mensch den Kurs der Geschichte ändern, um dieses finstere Interregnum zu verhindern?
    Und vorausgesetzt, er konnte es – wie sollte er es
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