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TS 61: Der Mann mit dem dritten Auge

TS 61: Der Mann mit dem dritten Auge

Titel: TS 61: Der Mann mit dem dritten Auge
Autoren: A. E. van Vogt
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intensives Geistestraining behoben werden können und gab sich alle Mühe, Michael Slade auf den richtigen Weg zu lenken.
    „Wir müssen Ihre Augen erst einmal an verschiedene Farbschattierungen gewöhnen“, sagte McIver zielsicher. „Man glaubt im allgemeinen, es gibt nur ein Schwarz, aber in Wirklichkeit existieren eine ganze Menge Farbnuancen, die das Auge genau unterscheiden kann.“ Er zog einen schwarzen Pappstreifen, schwarze Seide, ein Stück Metall und einen geschnitzten Ebenholzstab aus seiner Tasche.
    „Sehen Sie sich diese Dinge an!“ sagte er zu Michael Slade. „Was wir jetzt machen werden, ist eigentlich mehr eine Geistesübung, aber sie hängt eng mit dem Sehvermögen zusammen. Wenn Sie sich die verschiedenen schwarzen Gegenstände hier angesehen haben, werde ich sie wieder fortnehmen. Sie müssen sich dann die Farbunterschiede ins Gedächtnis zurückrufen.“
    Slade zweifelte anfänglich an dem Zweck solcher Übungen, doch er spürte bald, daß gleichzeitig mit seiner Vorstellungskraft auch die Sehkraft besser wurde. Nach einer halben Stunde war er schon so weit fortgeschritten, daß er fast alle Zeilen der sechs Meter entfernt aufgestellten Tafel lesen konnte. Alle drei Augen gehorchten seinem Gehirn und übermittelten ein Bild von der Umwelt. Es war zwar noch ein verzerrtes und verschleiertes Bild, aber der Fortschritt ließ sich nicht leugnen.
    Zum erstenmal seit dem Unfall konnte er mit dem dritten Auge nicht nur Licht, sondern klare Bilder wahrnehmen. Dr. McIver hatte in kurzer Zeit ein wahres Wunder vollbracht.
    Der Augenspezialist hatte in Slade bis dahin ruhende Kräfte mobilisiert, ohne allerdings zu ahnen, welche verhängnisvollen und wunderbaren Folgen das haben sollte.
    Michael Slade wurde immer sicherer. Er war plötzlich froh, daß er das dritte Auge hatte, denn nie zuvor in seinem Leben hatte er ohne Brille so gut sehen können. Die Umgebung wurde immer klarer. Er sah weit entfernte Dinge, die bis dahin immer nur Schatten und vage Schemen gewesen waren. Erfreut sah er sich in seinem Garten um.
    Dr. McIver sah die Freude aus dem Gesicht seines Patienten strahlen und freute sich mit ihm. So leicht hatte er sich seine Aufgabe gar nicht vorgestellt. Wahrscheinlich war dieser Erfolg auf die Bereitschaft seines Patienten zurückzuführen. Immerhin hatte sich Slade schon seit Monaten bemüht, seine beiden normalen und auch das dritte Auge funktionsfähig zu machen. Der Erfolg war wirklich überwältigend: ein stark kurzsichtiger Mann konnte plötzlich sehen, anscheinend sogar besser als zuvor.
    Allerdings deutete der Arzt das Entzücken seines Patienten nicht ganz richtig. Michael Slade konnte sehen, aber was er sah, das hätte ihm ein nüchterner Wissenschaftler wie Dr. McIver nicht geglaubt. Es war auch so unglaubwürdig, daß Slade vorerst nichts sagte.
     
    *
     
    Erst sah er nur die gewohnte Umgebung: den Gartenzaun, das Haus, die Büsche und Bäume, all die vertrauten Dinge. Dann aber schob sich ein zweites Bild über das erste. Slade sah plötzlich zwei verschiedene Welten. Die beiden normalen Augen sahen die bekannte Umgebung, doch das dritte erblickte eine fremde, bis dahin nie gekannte, ja nicht einmal erahnte Welt. Es war, als wären zwei Filmbilder übereinandergelegt. Da waren die Dächer der anderen Häuser, die Gärten und die Zäune, aber da war noch ein anderes Bild – erst verschwommen, dann immer klarer werdend, bis es das normale Bild der Umwelt überlagerte.
    Die Häuser schienen sich in wallenden Nebel aufzulösen. Bäume, Hecken und Sträucher verschwanden und gaben den Blick auf eine völlig neue Umgebung frei. Slade sah eine langgestreckte Mulde, dicht mit fremdartigen Sträuchern bewachsen. Links von ihm, wo sonst ein Hügel den Blick nach Süden verwehrte, sah er unzählige Höhlen, vor deren schwarz gähnenden Öffnungen lodernde Feuer brannten.
    Über den Höhlen sah er noch immer die Dächer der auf dem Hügel stehenden Häuser, doch der von den Feuern aufsteigende Rauch wurde immer dichter, und die flimmernd aufsteigende Hitze machte auch diese letzten Reste der gewohnten Umgebung unsichtbar.
    Die alte Welt wich immer weiter zurück, wurde immer unklarer, während die fremde Umgebung immer deutlicher in den Vordergrund rückte. Slade hatte das Gefühl, daß diese fremde Welt etwas höher lag, aber das vermochte er nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Er war zu erstaunt und erschüttert, um sich überhaupt Gedanken darüber machen zu können.
    Vor den Höhlen
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