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TS 56: Sternenstaub

TS 56: Sternenstaub

Titel: TS 56: Sternenstaub
Autoren: Donald A. (Hrsg.) Wollheim
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schon, daß ich Abschiede nicht mag.“
    „Ich muß den Kapitän benachrichtigen, dir bleibt noch eine halbe Stunde, bevor das Schiff aufsteigt. Niemand wird über dich lachen, wenn du deinen Entschluß änderst.“
    „Ich will nicht“, lachte Kormt ohne Wärme. „Ihr Leute seid die Zukunft. Warum könnt ihr die Vergangenheit nicht in Ruhe lassen – ich bin die Vergangenheit.“ Er blickte durch den Regen in die Richtung der Hügel.
    „Ich bin hier verwurzelt, das müßte euch genügen, Galaktiker!“
    Jorun streckte die Hand in der veralteten Geste der Erde aus.
    „Auf Wiedersehen!“
    „Auf Wiedersehen.“ Kormt drückte Joruns Hand kurz und gleichgültig. Dann wandte er sich um und ging davon, dem Dorf zu. Jorun sah ihm nach, bis er um eine Biegung verschwand. Er verweilte noch in der Luftschleuse, über die rauchlosen Kamine schauend, über die graue Landschaft. Lebe wohl, Mutter Erde, dachte er ernst, und dann – erstaunt über sich selbst – vielleicht tut Kormt das Richtige, nach all diesem. Er betrat das Schiff, und die Schleuse schloß sich hinter ihm.
    Gegen Abend hoben sich die Wolken, und der Himmel zeigte ein klares Blau, Gras und Blätter glitzerten. Kormt kam aus dem Haus, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Es war schön, flammendes Gold im Westen. Schade, daß Julith ihn nicht sehen konnte. Sie hatte die Sonnenuntergänge geliebt.
    Aber wenn sie ihn jetzt rief, und der Ruf eilte mit Lichtgeschwindigkeit zu ihm, erreichte er ihn erst, wenn er längst tot war.
    Nichts würde zu ihm kommen, niemals wieder.
    Er stopfte die Pfeife und zündete sie an; die Hände in den Taschen, schlenderte er die Straße hinunter. So, alter Knabe, dachte er, jetzt hast du eine ganze Welt für dich. Du kannst mit ihr machen, was du willst. Du bist der reichste Mann, den es jemals gab. Speisen und Vorräte gab es genug, aber er wünschte sich, beschäftigt zu sein. Er konnte seine Farm weiterführen, eine andere vielleicht dazu. Er erreichte das Ende der Straße, folgte dem Kiesweg den Hügel aufwärts. Dämmerung kroch über die Felder, die See war ein metallener Streifen, und die ersten Sterne blinkten auf. Wind erhob sich und rauschte in den Bäumen.
    Aber wie still waren alle Dinge.
    Auf dem Gipfel des Hügels stand die Kapelle. Er öffnete eine Pforte und ging um das Gebäude herum zu dem kleinen Friedhof. Hinter einigen Steinen der Gemeinde wucherte Unkraut, sein Fuß streifte an einem Kranz, den heute früh jemand hierher gelegt hatte. Er fand sein Familiengrab, stemmte die Fäuste in die Hüften und sah hinunter auf die Gravur.
    Gerlaug Kormts Sohn, Tarna Huwans Tochter. Hundert Jahre lagen sie jetzt in der Erde. Vater und Mutter. Seine Finger stahlen sich über den Stein des Grabes seiner Frau und wischte darüber hinweg. Er konnte es manchmal nicht fassen, daß der große Gerlaug und der schüchterne Huwan gestorben waren. Er, Kormt, hatte zu viele Menschen überlebt. Ich mußte bleiben, dachte er, jeder hat für das Land zu sorgen, wenn auch nur für eine kleine Weile. Ich werde weitere zehn Jahre aushalten, ehe die Wälder vordringen. Die Dunkelheit wuchs um ihn herum, er fuhr hoch, als er fern einen Kinderschrei zu hören glaubte – nein, nur ein Vogel.
    Er verfluchte sich selbst für das heftige Pochen seines Herzens. Ein düsterer Platz hier, es war besser, ins Haus zurückzukehren. Die Sterne strahlten in einer unerbittlichen Helle, er sah kurz zu ihnen hinauf und dachte, daß er sie noch niemals so hell gesehen hatte. Zu hell, er liebte das nicht.
    Geht weg, Sterne, dachte er. Ihr nahmt mein Volk, aber ich bleibe hier. Dies ist mein Land. Er bückte sich, um es zu berühren. Aber das Gras war naß und kalt unter seiner Handfläche. Der Wind murmelte unter den Hecken, seine Schritte knirschten im Kies, aber da war kein anderer Laut. Keine Stimme rief, keine Maschine drehte sich, kein Hund bellte. Nein – er hatte nicht gedacht, daß es so still sein würde. Und – dunkel. Keine Lichter. Die Straßenbeleuchtung selbst zu bedienen, nur, um die Stadt zu sehen, das war kein Spaß. Er sah nichts außer den Sternen. Er hätte an eine Lampe denken können, aber er war alt, und keiner erinnerte ihn mehr. Wenn er starb, gab es niemanden, der seine Hände hielt und ihm die Augen schloß, ihn in die Erde senkte. Die Wälder würden über das Land wachsen, und die Wölfe würden an seinen Knochen nagen.
    Aber ich wußte es vorher. Was bedeutet es schon, ich bin alt genug, um mich mit diesem Wissen
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