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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder
Autoren: C Rademacher
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Zwecklos, um den heißen Brei herumzureden. Nicht in einem kleinen Team von Ermittlern, nicht in einer solchen Mordsache.
    »Keine eintätowierte KZ-Nummer«, erläutert er, »außer der Operationsnarbe keine Verletzungsspur, kein Hinweis auf Schläge, Tritte, extreme Unterernährung. Selbstverständlich ist es trotzdem möglich, dass sie eine Polin gewesen ist, oder eine Russin oder Ukrainerin, ins Reich geholt zum Arbeitseinsatz. Möglich, dass sie einem Bauern irgendwo in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen zugeteilt war oder irgendeiner Fabrik. Und dass sie dann 1945 beschlossen hat, lieber als DP hierzubleiben statt heimzukehren zu Väterchen Stalin. Aber, wie gesagt: keine Arbeitshände.«
    »Eine Tochter aus gutem Hause?«, spekuliert MacDonald. Dem Offizier scheinen die Ermittlungen plötzlich Spaß zu machen, denkt Stave.
    »Möglich. Verschwundene Töchter aus gutem Hause werden jedoch meist relativ schnell als vermisst gemeldet. Das ist bislang nicht der Fall. Vielleicht kommt in den nächsten Stunden noch eine solche Anzeige bei uns herein. Wenn aber bis heute Abend nichts Derartiges eintritt, dann wird uns der Besuch einer Blankeneser Villa erspart bleiben.«
    »Also wer könnte die Tote gewesen sein?«
    »Eine Straßenschwalbe«, wirft Maschke ein, der die frustrierende Betrachtung der ausgedrückten Zigarette endlich aufgegeben hat.
    »Diesen Ausdruck kenne ich nicht aus meinem Deutschunterricht«, gesteht MacDonald.
    Maschke lacht laut auf. »Hure. Flittchen. Leichtes Mädchen. Prosti-tu-ierte. Deshalb gehöre ich doch zum Ermittlungsteam, nicht wahr?«
    Stave nickt. Inzwischen hat er begriffen, warum Maschke bei den Krimsches so unbeliebt ist. »Das Äußere würde jedenfalls passen«, stimmt er dem Polizeiinspektor widerwillig zu. »Und die Umstände ihres Todes wohl auch. Genug Indizien, um Maschkes Klienten einmal auf den Zahn zu fühlen.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Wir ziehen auf die Reeperbahn«, verkündet Stave und lächelt säuerlich.
    MacDonald verzieht erfreut den Mund. »Meine Kameraden im Offiziersclub werden mir nicht glauben, dass ich das während meiner Dienstzeit tun darf.«
    »Es lohnt sich immer, einen Krieg zu gewinnen«, flüstert Maschke. Doch so leise, dass Stave nicht sicher ist, ob ihn der Brite verstanden hat.
    »Ich muss Sie warnen, Herr Lieutenant«, sagt er schnell und eine Spur zu laut. »Ich befürchte, dass die Herren auf der Reeperbahn nicht gerade erfreut sein werden, uns zu sehen. Und die Damen leider auch nicht.«
    Dann ruft er seine Sekretärin herein. »Wir brauchen Abzüge des Fotografen. Nur den Kopf der Toten, sodass man das Gesicht erkennt. Aber nicht zu gruselig, wenn es geht.«
    »Wie viele?«, fragt Erna Berg, wobei sie allerdings nicht Stave anblickt, sondern den britischen Offizier.
    So viel zu meiner Autorität, denkt Stave. »Ein Dutzend für Polizeiinspektor Müller. Der soll sich ein paar Beamte schnappen und mit den Bildern die Krankenhäuser abklappern und jedem Chirurgen, den sie auftreiben können, das Foto unter die Nase halten. Das Opfer ist am Blinddarm operiert worden, vielleicht erinnert sich einer der Herren Doktoren. Dann ein weiterer Abzug für die Druckerei. Wir brauchen eintausend«, er zögert, denkt nach, »nein, nur fünfhundert Plakate. Ich werde den Text nachher schreiben. Sagen Sie den zuständigen Stellen bei der Schutzpolizei Bescheid, übermorgen können Streifenpolizisten die Plakate aufhängen. Und dann brauche ich noch drei Abzüge für die beiden Herren hier und für mich.«
    »Wird erledigt, Chef«, flötet Erna Berg und eilt hinaus.
    MacDonald blickt ihr nach, dann, als er sich von Stave ertappt fühlt, sieht er sich im Zimmer um. »Nett haben Sie es hier«, sagt er.
    Stave lächelt nachsichtig. Dann zieht er aus einer Schreibtischschublade Papier und einen Bleistiftstummel. »Ich schreibe den Text für das Plakat«, erklärt er. »Wir treffen uns in einer halben Stunde am Haupteingang. Zum Bummel über die Reeperbahn.«
    Neunundzwanzig Minuten später steht Stave in der Vorhalle vor der riesigen Tür. Er ist hungrig, ihm ist kalt, und er kann sich tausend Dinge vorstellen, die er jetzt lieber tun würde, als Luden und Huren zu verhören.
    MacDonald wartet schon. Maschke eilt kurz darauf mit wehendem Mantel die Treppe hinunter, zwei Minuten zu spät, wie Stave verärgert feststellt. Er fragt sich, was der Kollege von der Sitte in der letzten halben Stunde gemacht hat.
    Als sie ins Freie treten, blickt sich MacDonald
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