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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder
Autoren: C Rademacher
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niemand auf der Straße.«
    »Und da haben Sie die Frau erwürgt.«
    Herthge presst die Lippen aufeinander. Sein Gesicht ist nun so bleich, dass Stave fürchtet, er wird sterben, bevor er alles gesagt hat. Doch nach ein paar Augenblicken atmet der Verletzte wieder durch. »Nein«, stöhnt er. »Ich wusste ja nicht, wie die Frau hierhingekommen war. Und wer noch in Hamburg sein mochte. Ich habe alles geleugnet, ihr gesagt, dass das eine Verwechslung sein muss. Irgendwann hat sie mir geglaubt. Dann habe ich sie laufen lassen. Und bin ihr heimlich gefolgt.«
    »Bis zum Hochbunker von Eilbek.«
    »Da wusste ich, wo sie wohnte und mit wem. Am nächsten Tag, als die junge Frau wieder Richtung Schwarzmarkt losging, habe ich sie in den Ruinen abgepasst und erwürgt. Dann habe ich sie ausgezogen, damit niemand sie identifizieren kann. Die Kleider habe ich später in meinem Ofen verbrannt. Da hätten Sie noch viele Razzien organisieren können, Herr Oberinspektor.« Er grinst höhnisch, trotz seiner Qualen.
    »Ich bin danach zum Hochbunker gefahren. Im Mercedes der Kripo, den ich mir ganz offiziell ausgeliehen habe. Leider traf ich dort nur die andere Frau und das Mädchen. War nicht schwer, sie unter einem Vorwand ins Auto zu locken. Dort habe ich sie gefesselt. Ich bin mit ihnen in eine Nebenstraße gefahren und habe sie zum Schweigen gebracht, genau wie Yvonne Delluc. Aus der Frau habe ich zuvor herausgeprügelt, wo der Alte ist. Der war zum Plündern auf die andere Alsterseite gegangen.«
    »Warum haben Sie diese beiden Opfer nicht zusammen versteckt?«
    »Ich wollte nicht, dass man sie schnell findet.« Herthge stöhnt auf. »Ich musste ein paar Stunden ungestört sein«, presst er hervor. »Dann habe ich lange nach dem Alten gesucht. Es dämmerte schon, als ich ihn endlich fand. Der Rest war einfach.«
    »Einfach«, wiederholt Stave verächtlich. Dann denkt er nach. »Warum wollten Sie mich fertigmachen? Es ist zu spät, das müssen Sie doch wissen. Ob ich tot bin oder nicht, ist gleichgültig, Sie sind zur Fahndung ausgeschrieben. Warum haben Sie sich nicht versteckt?«
    Herthge lächelt matt. Sein Atem geht flacher. Das Blut hat inzwischen einen großen Fleck um seinen Körper gebildet, es quillt noch immer zwischen den Fingern hervor.
    »Ich wusste ja nicht alles«, keucht er. »Hatte nur einen Verdacht, dass Sie mich im Visier haben. Ich dachte, die Einzige, die mir gefährlich werden kann, ist diese Zeugin, die mich in der Lappenbergsallee gesehen hatte.«
    »Anna von Veckinhausen.«
    »War nicht gerade schwer, herauszufinden, dass sie es war, die Ihnen diese Informationen gegeben hat. Stand ja in den Akten. War auch nicht schwer, ihre Bleibe ausfindig zu machen. Ich habe gedacht, wenn ich sie beseitige, dann bringe ich die einzige Zeugin zum Schweigen. Ich habe ihr aufgelauert.«
    »Heute?«
    »Ja. Aber sie war nie allein. Wie Sie selbst am besten wissen.«
    Stave stellt sich vor, wie Herthge sie beobachtet hat. In der Kunsthalle. An der Alster. Wie er vor der Pension wartete, in der er Anna liebte. Wie er hinter ihnen her schlich, nachts, zwischen den Trümmern. Ihm wird übel. Er muss sich beherrschen, um dem Sterbenden nicht einen Fußtritt zu versetzen.
    »Weil Sie nicht an Ihr eigentliches Opfer herankamen, haben Sie dann schließlich mich angegriffen?«
    »Ich war wütend. Sie standen im Weg. Ich habe nicht überlegt gehandelt. Jeder macht mal einen Fehler.«
    Herthges Atem geht immer flacher. Seine Beine zucken nicht länger. Die Blutlache ist groß wie ein Teppich.
    »Mir ist kalt«, flüstert er.
    »Die Hölle ist ein kalter Ort«, sagt Stave und richtet sich auf. Dann dreht er sich um und geht.
    In einem fast unbeschädigten Mietshaus, einige hundert Meter entfernt, glimmen Lichter hinter Scheiben auf, Kerzen, schwache Glühbirnen. Fenster sind offen. Rufe in der Nacht. Grammophonmusik. Oberinspektor Frank Stave wirft einen letzten Blick auf den Keller, in dem Herthge stirbt. Er betrachtet lange die Ruinen, die im gnädigen Mondlicht erhaben aussehen. Dann hinkt er im Schatten einer vernarbten Wand davon.

Nachwort
    Ein »Trümmermörder« hat tatsächlich in Hamburg vier Opfer getötet während jenes schrecklich kalten Winters 1946/47. Unter diesem Namen wurde er seinerzeit bekannt und gefürchtet, doch wer er wirklich war, das weiß man bis heute nicht.
    Dieser Kriminalroman beruht auf dem authentischen Fall. Ich habe mich bemüht, die Realität der zerbombten Stadt so gut wie möglich zu schildern, von
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