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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger
Autoren: Wulf Dorn
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zu ihm gesagt hatte: Er wolle mit dem Erlös eine böse Erinnerung in eine schöne, neue Erinnerung verwandeln. Das sei Eschenberg ein wenig kryptisch vorgekommen, aber er habe dem keine weitere Bedeutung beigemessen. Eingefallen war es ihm erst wieder, als er den erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht der jungen Frau gesehen hatte, kurz bevor sie aus seinem Geschäft stürmte.
    Mark musste an das denken, was man in der Psychiatrie als »Vertrag« zwischen Behandler und Klient bezeichnete. Immerhin war Chris Psychiater. Was, wenn er Ellen versprochen hatte, das Buch, das ihr Angst machte, aus ihrem Leben zu schaffen und es durch etwas Angenehmes zu ersetzen? Vielleicht hatte er geglaubt, ihr durch diesen symbolischen Akt genügend Erleichterung zu verschaffen, so dass sie in der Lage war, über den Grund ihrer Angst zu sprechen.
    Zumindest hätte ich an seiner Stelle genau dasselbe versucht, dachte Mark. Ich hätte das Buch verkauft, um mit dem Geld eine böse Erinnerung in eine neue, schöne zu verwandeln. Mit einem Geschenk vielleicht, oder einem romantischen Abendessen.
Etwas, das Ellen gefallen hätte. Und dann hätte ich versucht, mit ihr den Grund für ihre Angst aufzudecken.
    Bei diesem Gedanken erschrak Mark.
    Waren Chris und er sich wirklich so ähnlich? Hätte sich Ellen dann vielleicht doch in ihn verliebt, wenn es Chris nicht gegeben hätte?
    Mark spürte eine Gänsehaut und schüttelte die Frage ab. Viel wichtiger war jetzt, was danach geschehen war. Etwas musste schiefgegangen sein, und Chris war verschwunden. Aber warum und wohin?
    Mark setzte seinen Erkundungsgang fort, als er hinter sich Axel die Treppe herunterkommen hörte.
    »Die Sicherungen sind in Ordnung. Muss wohl an der Leitung liegen. Dafür habe ich auf der Garderobenablage etwas gefunden. Sieh mal.«
    Axel beleuchtete das Objekt in seiner Hand, und Mark erstarrte. Es war eine schwarze Skimaske, eine Balaklava, wie sie der Schwarze Mann laut Ellens Erzählung im Therapiekeller getragen hatte.
    Aber hatte nicht Ellen selbst gesagt, sie sei sich ziemlich sicher gewesen, dass der Mann hinter der Maske nicht Chris gewesen sei?
    »Vielleicht trägt er sie ja beim Joggen«, kommentierte Axel seinen Fund. »Die Luft ist hier im Winter saukalt.«
    Mark nickte nachdenklich. »Ja, schon möglich.«
    »Glaubst du immer noch an die Theorie mit den Psychospielchen?«
    »Ich weiß nicht so recht. Aber völlig abwegig scheint es für dich auch nicht mehr zu sein. Oder würdest du mir sonst die Skimütze zeigen?«
    Axel zuckte mit den Schultern. »Inzwischen weiß ich
nicht mehr, was ich glauben soll und was nicht. Hast du hier unten sonst noch etwas entdeckt?«
    »Nur die Schachtel, in der Ellen das Kinderbuch gefunden hat.« Kaum hatte Mark ausgesprochen, als er auf etwas Hartes trat. Ein Knirschen unter seinem Schuh. Er drehte sich um und richtete die Taschenlampe auf den Boden.
    »Was ist?«, fragte Axel und kam zu ihm.
    »Glassplitter. Müssen von einer Weinflasche stammen.« Axel schwenkte den Lichtkegel höher zu einem Weinregal. Die rechte Hälfte der Flaschenreihen war von den staubigen Spinnweben befreit worden. Als er den Lichtstrahl weiter wandern ließ, stockte Mark das Blut in den Adern.
    »Ach du Scheiße!«, keuchte Axel.
    Da war Chris. Wie ein Betrunkener lehnte er an der Wand neben dem Regal, keine drei Schritte von Mark entfernt. Im Licht der Taschenlampe leuchtete sein blonder Kurzhaarschnitt fast weiß, so als sei er seit ihrer letzten Begegnung um Jahre gealtert. Wäre er von der Verwesung nicht so entstellt gewesen, hätte es fast so ausgesehen, als sei Chris stehend im Rausch eingeschlafen.
    Wie gelähmt starrte Mark in das aufgedunsene Gesicht des Toten. Über die einstmals tiefblauen Augen hatte sich ein milchiger Schleier gelegt, der Kiefer hing herab, als schreie er lautlos, und unzählige Äderchen waren wie ein bläuliches Netz unter der von Fäulnisblasen deformierten Haut hervorgetreten.
    Zu seinen Lebzeiten war Chris stets auf sein Äußeres bedacht gewesen, doch der Tod hatte ihn in eine grausige Parodie seiner selbst verwandelt. Das taillierte Hemd, das seinen durchtrainierten Körperbau zur Geltung gebracht
hatte, spannte über dem aufgequollenen Brustkorb, als wolle es jeden Augenblick zerreißen, und auch die Designerjeans waren wie überdimensionale Wurstpellen aufgebläht und von Faulwasser durchtränkt, das durch die Stoffporen gequollen war. Chris stand nur noch deshalb, weil er mit dem Nacken in einem der
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