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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger
Autoren: Wulf Dorn
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den schmierigen Steinen wie purpurrotes Öl.

Teil 1
    Die Patientin
    »Scary monsters, super creeps, keep me running, running scared!«
     
»Scary Monsters«
    DAVID BOWIE

Kapitel 1
    Willkommen in der
WALDKLINIK
Fachkrankenhaus für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik
    Die Geschwindigkeitsbegrenzung für das weitläufige Klinikgelände betrug zwanzig Stundenkilometer, doch das Tachometer von Dr. Ellen Roth zeigte mindestens fünfzig an.
    Ellen fuhr in Richtung des Gebäudes, in dem sich Station 9 befand. Zum hundertundersten Mal an diesem Morgen sah sie dabei aufs Armaturenbrett, als hoffe sie, die kleinen Digitalziffern der Uhr würden sich ihr zuliebe etwas mehr Zeit lassen. Stattdessen vermeldeten sie mit gnadenloser Genauigkeit, dass Ellen bereits über eine halbe Stunde zu spät war.
    Erneut verfluchte sie die zahlreichen Autobahnbaustellen, die sich auf der Strecke vom Stuttgarter Flughafen bis hin zur Abfahrt Fahlenberg reihten und jegliche realistische Zeitplanung zu einer groben Schätzung werden ließen. Unterwegs war sie von einem Stau in den nächsten geraten, und auf den wenigen freien Strecken hatte sie dann gehofft, dass ihr keine Radarkontrolle auflauerte.
    Wäre Chris jetzt bei ihr gewesen, hätte er sie bestimmt darauf hingewiesen, dass diese Raserei nichts brachte. Wenn man zu spät kommt, kommt man eben zu spät. Daran ändern auch ein paar Minuten nichts, hätte er gesagt.

    Chris, ihr Freund und Kollege, der sich im Augenblick zehntausend Meter über dem Boden befand und den sie schon jetzt vermisste.
    Dabei war er an diesem Morgen gar nicht zu Scherzen aufgelegt gewesen. Im Gegenteil, was er ihr gesagt hatte, war ihm überaus ernst gewesen. Sie musste an ihr Versprechen denken, und bei dem Gedanken daran war ihr alles andere als wohl in ihrer Haut. Was, wenn sie scheiterte und Chris enttäuschte? Das wollte sie sich lieber gar nicht erst vorstellen.
    Kies spritzte, als Ellen auf dem Personalparkplatz bremste. Sie stellte den Motor ab und atmete tief durch. Ihr Herz hämmerte, als sei sie die sechzig Kilometer vom Flughafen gejoggt und nicht gefahren.
    »Ruhig, Ellen, ganz ruhig. Du bist zu spät, und das ist jetzt eben so«, murmelte sie sich selbst zu, während sie einen eiligen Blick in den Rückspiegel warf.
    Für einen Moment hatte sie den Eindruck, einer Fremden im Spiegel zu begegnen – einer Frau, die wesentlich älter war als sie. Unter ihren braunen Augen zeichneten sich Ränder ab, und das dunkle, kurzgeschnittene Haar, das ihr sonst einen kessen Ausdruck verlieh, wirkte stumpf und im Zwielicht des Autos beinahe grau.
    Ellen seufzte. »Wirf deinen Ausweis weg und lass dich schätzen«, schlug sie ihrem Spiegelbild vor. »Dann kannst du schon mit neunundzwanzig Rente beantragen.«
    Höchste Zeit für weniger Stress und mehr Schlaf.
    Sie sprang aus ihrem Zweisitzer und schlug die Tür zu, nur um gleich darauf festzustellen, dass sie den Schlüssel hatte stecken lassen. Hastig riss sie die Tür wieder auf und zog den Schlüssel ab, als sich ihr Piepser meldete. Das war
nun schon das zweite Mal, seit sie in seinen Empfangsbereich gekommen war.
    »Ich weiß!«, fuhr sie das Gerät an und stellte es ab.
    Doch als sie auf das Stationsgebäude zulief, meldete es sich schon wieder. Wie sie dieses kleine schwarze Plastikungeheuer hasste. Es war kaum größer als eine Streichholzschachtel und konnte dennoch gewaltig nerven. Zum Beispiel, indem es sich an den unmöglichsten Orten meldete – während der Mittagspause in der Kantine oder auch an dem Ort, zu dem selbst der Klinikleiter zu Fuß geht, wie Chris zu sagen pflegte.
    An diesem Montagvormittag wurde Ellen durch das kleine Monster daran erinnert, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben zu spät zum Dienst erschien. Und die Tatsache, dass sich His Master’s Voice – ein anderer Ausdruck aus Chris’ scheinbar unerschöpflichem Repertoire – bereits zum dritten Mal innerhalb von zwei Minuten mit seinem nervigen Biiiieeep Biiiieeep meldete, ließ keinen Zweifel zu, dass sie dringend erwartet wurde. Ellen hoffte inständig, es möge nicht das eingetreten sein, was Chris befürchtet hatte.

Kapitel 2
    Der Mann hieß Walter Brenner, und das Einzige, was er von sich gab, war ein unverständliches Kauderwelsch, das nur entfernt mit Sprache zu tun hatte. Es hörte sich an wie »Simmmmssssssäääääägnnnnn«.

    Den persönlichen Angaben auf dem Überweisungsformular nach war Brenner fünfundsechzig und alleinstehend. Er trug eine
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