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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger
Autoren: Wulf Dorn
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wirklich geglaubt, dass sie selbst eine ihrer Patientinnen ist?«
    »Ja, so schwer das auch nachzuvollziehen ist«, sagte Mark. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke zu, was aber nichts gegen die Kälte auszurichten vermochte, die der Raum ausstrahlte. »Aus irgendeinem Grund muss sich Ellen ihrer Lara-Persönlichkeit bewusst geworden sein. Da jedoch ihr Wahnkonstrukt die Anerkennung der Wahrheit nicht zuließ, entstand die namenlose Patientin: eine Schutzbefohlene, die auf der Flucht vor ihrem Peiniger war. Jemand, auf den die starke Ärztin aufpassen musste. Damit für Ellen tatsächlich feststand, dass sie nicht selbst Lara sein konnte, erfand sie diese Frau ohne Namen. Sie wurde derart real für sie, dass sie davon überzeugt war, ihr wirklich begegnet
zu sein. Sie sollten mal den Arztbericht sehen, den sie über ihr zweites Ich geschrieben hat.«
    »Aber trotzdem hat sie nach ihr gesucht«, warf Nicole ein. Auch sie schien zu frösteln. »Also hat sie doch gewissermaßen nach ihrem wahren Ich gesucht, nicht wahr?«
    »So ist es«, stimmte Mark zu. »Und genau das ist es, was mich so beschäftigt. Wenn es ihr neunzehn Jahre lang gelungen war, Lara vor sich selbst zu verbergen, warum hat sie dann auf einmal damit begonnen, nach ihr zu suchen? Etwas muss das Wahnkonstrukt beschädigt haben, und ich wüsste zu gern, was dieses Etwas gewesen ist.«
    Für einige Minuten herrschte beklemmendes Schweigen. Nur aus dem Nebenraum war das leise Tropfen von Wasser zu hören. Dann fragte Nicole: »Können wir bitte gehen?«
    »Ja, natürlich. Ich denke, die Antwort ist ohnehin woanders zu suchen.«
     
    Es war bereits dunkel, als Mark Nicole zu ihrem Wagen auf dem Besucherparkplatz begleitete.
    »Sie können auch über Nacht hierbleiben«, schlug er vor. »Ich kann Ihnen meine Couch anbieten oder ein Zimmer in einer Pension, wenn Sie wollen.«
    Nicole winkte ab. »Nein danke. Das ist nett von Ihnen, aber ich denke, ich kann hier vorerst nichts für Lara tun. Ich werde zu Hause gebraucht. Mein Mann und die Kinder werden sich sicherlich schon Gedanken machen, wo ich bleibe. Aber ich werde Lara besuchen, so oft ich kann.«
    Bevor sie die Tür hinter sich schloss, sah sie sich noch einmal zu Mark um.
    »Was werden Sie jetzt tun?«

    »Nach der Antwort suchen, dem Auslöser für Laras Zusammenbruch.«
    Nicole legte den Kopf auf die Nackenlehne und schloss die Augen. Mark konnte sehen, wie sie mit den Tränen kämpfte. Als sie ihn wieder ansah, hatte sie den Kampf gewonnen, aber ihre Augen waren gerötet. »Es war meine Schuld, dass alles so gekommen ist, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie beide waren damals zur falschen Zeit am falschen Ort. Dafür tragen Sie keine Verantwortung.«
    »Das sagen Sie so einfach. Hätte ich sie nicht …« Sie sprach nicht zu Ende, sondern stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wenigstens ist jetzt alles raus. Ich fühle mich zwar noch nicht wirklich erleichtert, aber ich denke, das kommt noch. Irgendwann.«
    Sie wartete nicht ab, ob Mark noch etwas antwortete, sondern zog die Tür zu.
    Mark sah ihr hinterher, als sie vom Parkplatz fuhr und wenig später auf der Schnellstraße im Abendverkehr verschwand.
    In dieser Nacht fand er keinen Schlaf.

Kapitel 45
    Das Licht der Nachmittagssonne fiel durch das Fenster des Krankenzimmers und ließ die einsame Gestalt auf dem Bett wie ein Wesen aus einer anderen Welt erscheinen.

    Und irgendwie ist sie das nun auch, dachte Mark, als er die Tür leise hinter sich schloss. Die Frau, die er einst als Ellen Roth kennen- und lieben gelernt hatte, wurde nun auf dem Namensschild neben der Tür Lara Baumann genannt. Dieser Name war ihm noch immer fremd, ebenso wie die Frau im Pyjama auf dem Bett.
    Sie roch nicht mehr nach Calvin Kleins Eternity, das er so an ihr gemocht hatte, sondern nach einem Badezusatz, mit dem man pflegebedürftige Patienten zweimal pro Woche wusch. Das kurzgeschnittene dunkle Haar, das sie sonst mit etwas Gel aufzustellen pflegte – was ihr einen frechen Ausdruck verlieh, der zu Ellens Persönlichkeit gepasst hatte – lag nun glatt gekämmt an ihrem Kopf an.
    Am schlimmsten für Mark war jedoch die Leere in ihrem Blick. Eine Teilnahmslosigkeit, als sei sie nur körperlich anwesend, während ihr Geist in einer anderen Welt weilte.
    Wahrscheinlich war es auch so, nur hätte Mark zu gern gewusst, was für eine Welt das war. Ebenso, wie er zu gern gewusst hätte, was dazu beigetragen hatte, die Ellen-Roth-Identität zusammenbrechen zu
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