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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger
Autoren: Wulf Dorn
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lassen.
    Doch von dieser Frau, von der nicht viel mehr als ein Schatten ihrer selbst zurückgeblieben war, würde er es nicht erfahren. Ellen hatte diesen Körper verlassen. Sie war woanders. Irgendwo, wo es keine Gewalt und keine Verdrängung gab. Zumindest hoffte er das inständig für sie.
    Und nach all der Kraftanstrengung, die diese Verdrängung für ihre verletzte Psyche bedeutet haben musste, würde sie wahrscheinlich nicht so schnell von diesem jenseitigen Ort zurückkehren. Falls sie überhaupt jemals zurückkehrte.

    Was ist die Persönlichkeit eines Menschen doch für ein fragiles Ding, dachte Mark, während er sich neben sie aufs Bett setzte und ihre schlaffe Hand ergriff. So zerbrechlich wie Glas. Eine Krankheit – er musste an seine Großmutter denken, von der aufgrund ihrer langjährigen Parkinson-Erkrankung ebenfalls nicht mehr als ein lebloses Gespenst geblieben war – und manchmal auch nur eine Erinnerung genügten, um das, was einen Menschen einzigartig macht, zu zerbrechen und eine leere Körperhülle zurückzulassen.
    Aber war die Hülle, die einst Ellens Wesen beheimatet hatte, wirklich leer? Oder gab es da doch noch etwas hinter diesen in die Leere gerichteten Augen?
    Er streichelte sanft ihren Kopf, ohne eine Reaktion darauf erkennen zu können.
    »Was ist geschehen, Ellen?«, fragte er leise, eine Frage, die mehr an sich selbst als an sie gerichtet war. Ellen bewegte sich nicht.
    So saßen sie da, für eine Stunde oder mehr, und sahen zum Fenster hinaus.
    Und von da an jeden Tag.

Kapitel 46
    Es war bereits später Nachmittag, als es an die Tür zum Arztzimmer von Station 9 klopfte. Schwester Marion steckte den Kopf herein.
    »Entschuldigen Sie, Herr Doktor, ich weiß, Sie haben
gleich Dienstschluss. Aber da wäre noch jemand, der Sie sprechen möchte.«
    Mark sah von seinen Unterlagen auf. »Wer ist es denn?« Er bewegte kurz den Kopf hin und her, was ein unangenehmes Knacken zur Folge hatte, dann rieb er sich den verspannten Nacken.
    »Ein Herr Pohl. Er hat nach Dr. Lorch gefragt.«
    »Pohl? Noch nie gehört.«
    »Er meint, es sei wichtig.«
    »Gut, sagen Sie ihm, ich bin gleich bei ihm.«
    Mark musste ein Gähnen unterdrücken. Seit Ellens Zusammenbruch hatte er kaum noch richtig geschlafen. Viel zu viel ging ihm durch den Kopf – vor allem nachts, wenn es um ihn herum still war.
    Tagsüber war er mehr als ausgelastet. Neben der Betreuung seiner eigenen Patienten hatte er auch noch die Vertretung auf Station 9 übernommen. Die Arbeit half ihm, mit dem Gefühlswirrwarr zurechtzukommen, der in ihm toste, doch allmählich gelangte er an seine physischen Grenzen.
    Trotzdem würde er noch eine Weile durchhalten müssen. Zwar endete Chris’ Urlaub in drei Tagen, aber Mark konnte sich nicht vorstellen, dass er gleich wieder zum Dienst erscheinen würde. Nicht, nachdem er die Wahrheit über Ellen erfahren hatte. Chris wusste ja noch nicht einmal, was geschehen war. Es würde ein Schock für ihn sein. Jeglicher Versuch, ihn zu erreichen, um ihm die schlimme Nachricht schonend beibringen zu können, war bisher gescheitert.
    Mark streckte sich, nahm einen letzten Schluck von seinem Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, und trat hinaus auf den Gang.

    Im Eingangsbereich wartete ein Mann, den Mark auf Anfang dreißig schätzte.
    Er war braungebrannt, trug ein lässiges Hemd, Markenjeans und teure Sportschuhe und machte nicht den Eindruck, einer von Chris’ Patienten zu sein. Vielmehr sah er aus, als wolle er ihn zum Lauftraining oder für einen gemeinsamen Solariumsbesuch abholen.
    »Herr Pohl?« Mark reichte ihm die Hand. »Ich bin Mark Behrendt. Kollege Lorch ist diese Woche noch in Urlaub. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Tag.« Pohl drückte ihm die Hand, und Mark glaubte, in einen Schraubstock zu fassen. »Tut mir leid, wenn ich hier so hereinplatze. Ich hätte auch einfach nur anrufen können, aber dann dachte ich mir, ich schaue besser mal persönlich vorbei.«
    »Worum geht es denn?«
    »Ich versuche seit gestern, Christoph zu erreichen. Zu Hause ist er nicht, und er geht auch nicht an sein Handy.«
    »Chris ist irgendwo auf einer australischen Insel, auf der es keine Handyverbindung gibt«, erklärte Mark und rieb sich die gequetschte Hand. »Aber er müsste spätestens am Wochenende wieder zurück sein.«
    Pohl sah ihn verwundert an. »Chris ist in Australien?«
    »Ja, seit knapp drei Wochen. Soweit ich weiß, begleitet er einen Freund. Einen gewissen Axel. Mehr ist mir leider nicht
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