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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Autoren: Andreas Altmann
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die Kälte. Ihr Blut raste mit solcher Geschwindigkeit durch ihre Venen, dass sie sich einige Kleider vom Leib riss und er auch.« Ist das nicht bestrickend blöd? Und so geht es weiter: »Und sie stand nun vor ihm und schnatterte wie ein Glühwürmchen vor Geilheit. Und er glühte gleich mit. Denn Gott liebt die Nackten und furchtlos Geilen.«
    Ok, der Glühwürmchen-Einschub ist von mir, aber der geneigte Leser erkennt sofort, dass ich es auch kann. Schreibt einer so windig über Sex, weil er im tatsächlichen Leben, mitten im Bett, auch nur windigen Sex produziert? Oder fuhrwerkt er zwischen den Laken noch blindwütiger als am Schreibtisch? Wir werden es nicht erfahren.
    Von der Propaganda-Maschinerie wird der Brasilianer als »spirituell« verkauft. Das schöne Wort ist ein heftig geschurigelter Begriff, arg verhurt. Ich will mich anstrengen, um als Schreiber nicht selbst in die Untiefen esoterisch verblasenen Schunds abzustürzen. Dennoch, von Coelho, dem Meister argloser Idiotisierung, kann man lernen. »Negative learning«, sagen die Engländer: So nicht!
    Beim Weiterflug lese ich über einen, der sich bei dem Thema auskennt. Der Dalai Lama gibt zu, dass sein »mittlerer Weg« nach jahrzehntelangen Verhandlungen mit Peking gescheitert sei. Die chinesische Staatsmacht prügelt und foltert weiter in Tibet. Armer Lama, geistige (spirituelle!) Auseinandersetzung funktioniert nur, wenn beide Seiten Geist mitbringen, um sich in der »Mitte« zu treffen. Wenn beide wollen. Chinas Staatschef Hu Jintao hat sich vor zwanzig Jahren als Gouverneur der Region und »Schlächter von Lhasa« einen Namen gemacht. Einen blutigen. Schlächter schlagen den Kriegspfad ein, von einem mittleren Weg, einem der Fairness und des Kompromisses, wollen sie nichts wissen. Immer erstaunlich, wie gelassen die Gesichtszüge des Dalai Lamas bleiben. Auch dann, wenn er eine Niederlage verkündet und von den Todfeinden seines Volkes spricht. Er kann nicht hassen, sagt er.
    Landung frühmorgens in Neu-Delhi. Ich habe nicht einmal einen Plan A, nur die Absicht, im indischen Meer der 1,1 Milliarden den einen zu finden (die eine, auch gut), der Vertrauen verbreitet. Einen, in dessen Nähe ich klüger werde, vielleicht einsichtiger, vielleicht robuster im Umgang mit der Welt. Ich lasse mein Gepäck im Hotel und streune durch die Stadt. Ich will Glück haben, der Zufall soll mich einholen.
    Jedes heute geschriebene Indien-Buch ist in hundert Jahren noch immer aktuell. Nur die Zahlen müsste man ändern. Statt einer satten Milliarde Einwohner wären es im Jahr 2110 eben 25 Milliarden. Und aus den räudigen Hunden sind 25 Mal so viele räudige Hunde geworden. Und auch die Armee der heiligen Kühe wird sich auf Indiens Straßen gigantisch vergrößert haben. Wie die Armee der sich rasend vermehrenden Blechkühe.
    Kein Geduldsfaden ist so lang wie der indische. Der Inder kann aus seinem Haus treten und von Kackhaufen umzingelt sein. Und trotzdem nichts fühlen, keine Wut, nichts riechen, keinen Gestank. Oder alles fühlen und alles riechen. Und sich dennoch nicht aufbäumen.
    Und bei uns, den fremden Besuchern, jenen mit den kleineren Herzen, hat sich auch nichts getan. Noch im 21. Jahrhundert wird jeder indische Abgerissene, der uns zu nahe kommt, einen Adrenalinschub auslösen. Weil wir noch immer nicht fähig sind, kaltschnäuzig an ihm vorbeizugehen. So wenig wie unbeschwert ein paar Münzen herauszurücken. Die einen von uns gehen genervt weiter, die anderen rücken genervt ein paar Rupien heraus. Indien ist ein gigantischer Spiegel. Jeder darf hineinblicken und sich anschauen. Wer das Land im selben Zustand verlässt, wie er es betreten hat, kam schon als Leiche. Denn die Radikalität des Subkontinents ist sein Trumpf. Ein Reisender, der sich traut, läuft Gefahr, als ein anderer wieder abzureisen. So einer wäre ich gern.
    Für einen Schriftsteller ist das Land ein Dorado. Gibt es doch kein Volk, das sich bedingungsloser vom Zauber der Wörter verführen lässt. Ich gehe an einer Bruchbude vorbei und lese »Palace Hotel«. Daneben ein »Super-de-Luxe-Hotel«, noch eine Bruchbude. Die Wörter glitzern, das zählt. Nicht der schäbige Verputz, nicht die mit Sperrmüll möblierte Rezeption. Das ist das Geheimnis der Inder. Diese Fähigkeit, sich aus der Wirklichkeit herauszukatapultieren. Sprache als Zaubertrank, als Sprungbrett in eine fantastische Welt.
    Am Connaught Place, dem Zentrum von Neu-Delhi, steht ein Hare-Krishna-Stand. Sie hüpfen und
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