Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
Vom Netzwerk:
ein Mal aus zwei aufrechten Steinen, die rechts und links des Weges standen und im Abendlicht wie abweisende zwergenhafte Wächter wirkten.
    »Porta Tricontii«, bemerkte Oshelm, der neben Herrad an der Spitze des kleinen Zuges ritt, der sich, von Aquae Calicis kommend, einen zähen Tag lang durch den Auwald an den Ufern des Simertius geschlagen hatte, um hier endlich wieder sicheren Grund zu erreichen, und fügte, indem er sich im Sattel gegen die Richterin verneigte, hinzu: »Da man uns augenscheinlich nicht zu empfangen gedenkt, muss ich wohl die Begrüßung übernehmen. Seid also willkommen in Eurem Gerichtsbezirk, Frau Herrad.«
    Eine Krähe flog auf und verschwand mit einem Krächzen zwischen den Bäumen, die eben den schwerfälligen Ochsenkarren und die beiden Speerträger, die die Nachhut bildeten, freigaben.
    Herrads Blick war dem Vogel gefolgt. »Ein würdiger Empfang, in der Tat«, erwiderte sie mit einiger Verspätung und zog den durchscheinenden Schleier, den der Wind halb fortgerissen hatte, wieder über ihr sorgsam geflochtenes Haar, »vielen Dank, Oshelm. Aber willkommenheißen dürft Ihr mich erst, wenn wir in Tricontium selbst sind. Vor Einbruch der Dunkelheit kommen wir dort nicht an, nicht wahr?«
    Oshelm schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, sicher nicht. Früher hätten wir in der Nähe Halt machen können, um uns für das letzte Wegstück auszuruhen.« Er deutete auf die überwucherten Reste eines ungenutzten Pfades, der sich rechts der Straße in der Heide verlor. »Dort hinten wohnten Leute, die den besten Schafskäse gemacht haben, den ich je gegessen habe, aber in den letzten Kriegstagen ist der Hof geplündert worden. Heute lebt dort sicher niemand mehr.«
    »Oh, der Käse war gut, wenn wir den gleichen meinen«, sagte Herrad mit einem schwachen Lächeln. »Alanus hat einmal auf dem Rückweg von einem Botenritt nach Tricontium einer Bäuerin welchen abgekauft und mit nach Aquae gebracht.«
    Es war ein seltsam trauriger Gedanke, dass das Wissen um die Herstellung dieses besonderen Käses im gleichen Krieg gestorben sein mochte wie der Mann, der Herrad einmal ein Stück davon mitgebracht hatte, doch wer ein neues Amt zu übernehmen hatte, durfte nicht kleinmütig und bekümmert sein, und so riss sie ihren Blick von dem unkrautbedeckten einstigen Weg los und sah nach vorn.
    »Ich entsinne mich doch recht, dass Herr Honorius uns jemanden genau hierher entgegenschicken wollte?«, fragte sie.
    »Zur Porta Tricontii, ja.« Oshelm sah sich um, als wäre damit zu rechnen, die Leute des würdigen Richters am Wegesrand versteckt zu finden. »Es ist eigenartig, dass keiner hier auf uns wartet.«
    »Vielleicht auch nur zu erklärlich«, entgegnete Herrad und unterließ es, auszuführen, dass die Abwesenheit der Leute ihres Vorgängers die letzte Kränkung in einem an Zurücksetzungen und Ärgernissen nicht armen Monat sein mochte; die Möglichkeit war ihrem Schreiber gewiss ebenso bewusst wie ihr selbst.
    Ein weiterer Windstoß fegte über die Heide, fuhr unter Oshelms Umhang und ließ die Richterin beschließen, dass es ein sinnloses Unterfangen war, sich weiter um ihre Kopfbedeckung zu bemühen.
    »Es mag Überheblichkeit von Honorius’ Seite sein«, bestätigte der Schreiber. »Doch vielleicht wollen sie auch nur nicht gerade hier warten. Früher haben sich einige Leute davor gefürchtet, sich hier in der Dämmerung lange aufzuhalten.«
    »Ach was! Lärm hält böse Geister fern, das wird Euch jeder abergläubische Mensch erzählen. Wir reisen mit zwölf Kriegern und einem Karren, den man drei Meilen weit hören muss, das Jammern meiner Magd über die Unbequemlichkeiten der Reise nicht einmal mit eingerechnet. Wer auf uns wartet und unterdessen singt, kann unbesorgt sein.«
    Oshelm schüttelte den Kopf, dass seine mit erstem Grau durchsetzten dünnen Locken flogen. »Ich spreche nicht von den Geistern, Frau Herrad. Die sind in großer Zahl nur unten im Kranichwald, schon seit dem Barsakhanensturm, und durch die Schlacht von Bocernae sind es mehr geworden. Hier oben sind nicht mehr Gespenster als anderswo. Aber man nennt diese Steine gelegentlich die Pforte zur Unterwelt, das wisst Ihr selbst.«
    »Ich dachte, aus dem Namen spräche nur die übergroße Wertschätzung, die die Marchia Tricontina allenthalben genießt?« Herrad schob den abgenommenen Schleier in den linken Ärmel ihres Barsakhanenkaftans, während sie sich das Ödland besah, durch das die Straße weiter nach Norden führte, bevor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher