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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
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eingesetzt, nicht wahr? Haltet ihn; das ist ein guter Mann, der Euch in Tricontium noch viel nützen wird.«
    Verschleierter Hohn in der Maske eines guten Rates blieb dennoch Hohn, und einen Herzschlag lang hatte Herrad erwogen, das angetragene Amt abzulehnen und nötigenfalls eine endgültige Entlassung in Kauf zu nehmen, doch war es nie ihre Art gewesen, die Regung eines Augenblicks über Pflichterfüllung und Vernunft zu stellen. Es war eines, sich selbst aus Stolz oder Verärgerung auf die Straße zu befördern, doch etwas gänzlich anderes und weit weniger Rühmliches, das Gleiche den Leuten anzutun, die von einem abhängig waren. Der Ruf, den Ardeija sich in den Tagen vor Bocernae erworben hatte, mochte noch genug nachwirken, um ihm rasche Aufnahme in die Dienste eines anderen Herrn zu sichern, wenn es denn nötig werden sollte, doch um seine Krieger war es kaum so gut bestellt, und Oshelms flüssige Kanzleihand allein würde in den Augen der meisten kein Ausgleich dafür sein, dass er fast zehn Jahre lang für Otachar Briefe geschrieben und Urkunden abgefasst hatte. Wenn Herrad fiel, würde sie folglich nicht allein fallen.
    Den einzigen Ausweg aus ihrer misslichen Lage, der ihr eingefallen war – nämlich ihrer Freundin Justa zu schreiben, die in der königlichen Kanzlei in Padiacum eine bedeutende Stellung bekleidete – hatte sie gleich wieder verworfen. Zwar hätte Justa sich einer Bitte um Hilfe sicherlich nicht verschlossen, sondern sich gewiss mit großem Eifer darum bemüht, Herrad ein einträgliches neues Amt in einem behaglicheren Winkel der Welt zu verschaffen, doch diese Unterstützung hätte ihren Preis gehabt. Dem Gewirr aus Ränken und Machtstreben, in das sie in Justas Nähe unweigerlich hineingeraten wäre, war selbst Tricontium vorzuziehen.
    So hatte sie in wohlgesetzten Worten Geta ihren Dank ausgesprochen und im Stillen sehr bedauert, dass die Buße, die darauf stand, einen Mann in seinem eigenen Garten genüsslich zu erdrosseln, sie arm gemacht hätte. Die Erkenntnis, dass ein solcher Schritt nun, da die Ernennung einmal ausgesprochen war, ohnehin nur der Befriedigung unwürdiger Rachegelüste, nicht aber einer Besserung der Lage hätte dienen können, war ein schwacher Trost gewesen.
    Nach den missvergnügten Wochen der Vorbereitung auf diese Reise und einem Tag auf dem Pferderücken war Herrad nicht mehr überzeugt, dass ihre Entscheidung tatsächlich so klug gewesen war, wie sie es sich hatte einreden wollen. Die Angelegenheit hatte sie schon ihre Köchin und ihren zweiten Schreiber gekostet, die beide nicht zu angetan von den Plänen ihrer Herrin gewesen waren, und es war nicht viel besser, dass der nach Getas Worten gar so nützliche Ardeija zwar nicht untreu geworden, aber abwesend war.
    Zurückkehren würde er früher oder später, und sei es auch nur, um ihr den Dienst aufzukündigen; kein Mensch gab leichtfertig seinen Besitz auf, gerade dann nicht, wenn dazu ein wertvolles ererbtes Schwert gehörte, das kaum zu ersetzen sein würde. Ardeijas bewegliche Habe, die sich nun auf dem Karren zwischen Herrads Truhen und Oshelms bescheidenerem Gepäck befand, war folglich ein brauchbares Pfand, dass er sein Versprechen, spätestens in Tricontium wieder zu ihr zu stoßen, auch halten würde. Die paar Tage, die er ursprünglich hatte fortbleiben wollen, waren allerdings längst herum.
    Nicht zum ersten Mal an eben dieser Stelle in ihren Gedankengängen angelangt, wandte die Richterin den Kopf zu Oshelm, der sich hatte zurückfallen lassen. »Wie gut ist der Weg von Corvisium nach Tricontium hinüber, wenn man nicht den Umweg über Aquae machen möchte?«
    Der Schreiber mochte eigenen Grübeleien nachgehangen haben; er schrak zusammen, begriff aber recht gut, worauf die Frage abzielte. »Schlecht«, erwiderte er, »doch nicht so schlecht, dass Herr Ardeija ihn mit seinem Barsakhanenpferdchen nicht bewältigen könnte. Ich habe zu Fuß mit einem Bogenschützen Herrn Otachars seinerzeit anderthalb Tage gebraucht, um nach Corvisium zu gelangen. Wir sind damals recht zügig gereist, da der Krieg schon weit fortgeschritten war. Man kommt durch die nördlichen Ausläufer des Kranichwalds, dann aber durch besseres Land bis zur Stadt, doch auf recht holprigen Pfaden.« Er lachte. »Aber wenn ich dort keine größeren Schwierigkeiten hatte, wird der würdige Hauptmann vermutlich nicht einmal bemerken, wie unbequem die Reise ist – es sei denn …« Fast verlegen hielt er inne, als hätte er in
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