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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
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verlassen und vergessen sein, auch alles andere, was nördlich und östlich des Simertius lag, Corvisium, das seit dem Barsakhanensturm nur noch in Träumen von einstiger Größe dahindämmerte, ebenso wie das Land, das die Fürsten vom Brandhorst beherrschten, und die Hälfte des Gebiets der Fürsten von Sirmiacum. Wenn es so weit kam, würde die Grenze nicht weit hinter Aquae verlaufen.
    Doch bis dahin, für lächerlich kurze Jahre vielleicht, die dennoch elend lang erscheinen würden, entsandte man noch eine Richterin nach Tricontium, um vorzugeben, dass das königliche Recht selbst in diesem entlegenen Winkel Geltung hätte.
    Eigentlich galt es auch, das hätte Herrad jederzeit bestätigt. Sie nahm nur nicht an, dass sie viel würde ausrichten können. In dünn besiedelten Gegenden wie dieser halfen sich die Leute ohnehin lieber selbst, als eine Fremde zu bemühen, und wenn doch jemand Hilfe verlangte, würde Wort gegen Wort stehen und selbst im besten Fall alles auf einen Gerichtskampf hinauslaufen, der gleich die nächsten Zwistigkeiten auslöste. Denn wer konnte schon zweifelsfrei nachweisen, dass die Viehdiebe oder die Wegelagerer nicht von jenseits der Grenze gekommen waren, wie es sich für böse Räuber gemeinhin so gehörte? Wenn doch einmal etwas eindeutig zu belegen war, würde jeder Schuldige klug genug sein, ins Heidenland zu fliehen, wohin kein Krieger in Diensten des Königs oder seiner Richterin ihm folgen durfte.
    Wer auch nur halbwegs Verstand besaß, würde hier keine Anklage vor die Richterin bringen, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen. Herrad sah sich im Geiste schon ausschließlich damit befasst, alle halbe Jahr einmal Streitigkeiten um Erbteilungen und versetzte Grenzsteine zu schlichten und gelegentlich ein Exempel an irgendeinem armen Teufel zu statuieren, der ihre eigene Speisekammer auszunehmen versucht hatte.
    Vielleicht hätten diese Aussichten und die Versetzung an sich weit weniger geschmerzt, hätte ein beliebiger neuer Vogt in Aquae die Entscheidung getroffen, sie ohne guten Grund in die Wildnis zu schicken. Doch der Mann, der die Nachfolge des unfähigen Adalhard, der allenfalls für ausschweifende Feste bekannt gewesen war, angetreten hatte, war nicht irgendein Fremder, sondern Geta, mit dem sie über ihre Mutter entfernt verwandt war.
    Nun hatte Blutsverwandtschaft allein noch nicht viel zu besagen. Doch Geta hatte Herrad, wenn er sie in ihrer Kindheit gesehen hatte, stets seine »liebe Nichte« genannt, in späteren Jahren gelegentlich Grüße zu hohen Feiertagen gesandt und die Richterin dann, kaum dass er in Aquae gewesen war, zu sich gebeten, nicht in seine Amtsräume, sondern in seinen Garten wie einen geschätzten Gast. Sie hatte sich täuschen lassen; es war ein schöner, noch spätsommerlicher Tag gewesen, und friedlich auf der Rasenbank unter den alten Apfelbäumen Wein zu trinken und den drei kleinen Kindern, die Geta mit einer abermals schwangeren Geliebten gezeugt hatte, vorgestellt zu werden, hatte alles wie ein harmloses Treffen erscheinen lassen, dessen Sinn und Zweck nicht weit über den Abschluss eines losen Bündnisses hinausgehen konnte. In ihrer Einfalt hatte sie sich nichts weiter vorstellen können, als dass der neu eingesetzte Vogt durch all seine Freundlichkeit ihre Unterstützung allgemein oder in einer besonderen Angelegenheit zu erlangen hoffte. Wie hätte sie auch im Voraus ahnen können, dass er ihr nur etwas, das fast eine Strafe, zumindest aber eine Kränkung war, hatte versüßen wollen?
    »Tricontium mag unbedeutend erscheinen«, hatte er mild lächelnd ausgeführt, während er Herrads Becher erneut gefüllt und einen nachsichtigen Blick auf einen seiner Söhne, der bei den nahen Weißdornbüschen erfolglos einem Vogel nachgejagt war, geworfen hatte, »doch ist der Posten dort von unerhörter Wichtigkeit – der wichtigste, den ich gerade jetzt zu besetzen habe, und außer Euch, liebe Nichte, kann niemand ihn meinen Vorstellungen entsprechend ausfüllen. Ihr mögt enttäuscht sein und auf mehr gehofft haben, nun, da ich hier bin und Euch dem alltäglichen unbedeutenden Unfug, dem Ihr am Niedergericht ausgesetzt seid, entreißen kann. Doch Tricontium ist wichtig, das werdet Ihr bald selbst feststellen. Die Einkünfte aus zwei Dörfern sind damit verbunden, und ich gebe Euch die aus einem dritten hinzu, damit Ihr einige Krieger mehr als die, die Ihr habt, anwerben könnt. Ihr habt den ehemaligen Schwertmeister aus Sala als ihren Hauptmann
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