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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
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unsicheren Verbündeten, einäugig, heruntergekommen und ganz die Sorte von kleinem Dieb, die das Niedergericht von Aquae Calicis Tag für Tag beschäftigt hielt. War es schon eine wohlberechnete Kränkung gewesen, Ardeija in dieses Verlies zu werfen, statt ihn in ehrenvolle Haft zu nehmen, so war dieser Zellengenosse sicher als zusätzliche Missachtung gedacht.
    Der Dieb schien von den schmeichelhaften Gedanken, die Ardeija sich über ihn machte, nichts zu ahnen. »Ihr solltet Euch nicht zu viel bewegen«, sagte er und hob das nasse Tuch auf, das von Ardeijas Stirn geglitten war. »Der Medicus sagt, dass Ihr nicht zu früh aufstehen dürft.«
    Gjuki besann sich endlich darauf, wohin er gehörte, und ließ sich mit schlangengleicher Gewandtheit zu Boden gleiten, um zu seinem verletzten Freund zu gelangen; das Auftreffen seiner kleinen Krallen auf den Steinplatten hallte eigenartig laut in dem Gewölbe wieder.
    Ardeija lächelte und hoffte, dass sein Mitgefangener es als Dank dafür nehmen würde, dass er das Tuch wieder dorthin zurückbefördert hatte, wo es sich befinden sollte. Auch wenn er Leute von der Art dieses Mannes zu gut kannte, als dass er sich leichtfertig auf seine Unterstützung hätte verlassen wollen, hatte es doch keinen Sinn, es sich mit der einzigen Gesellschaft, die er neben Gjuki in diesem Kerker hatte, zu verscherzen.
    Diese Erkenntnis war es auch, die ihn ein höfliches »Ihr« verwenden ließ, wo im Grunde genommen noch ein »du« zu gut gewesen wäre. »Es tut mir leid, dass man Euch die Mühe aufgehalst hat, Euch um mich zu kümmern.« In Wahrheit war er selbst der einzige Mensch, mit dem er im Augenblick einiges Mitleid verspürte, doch das blieb besser unerwähnt.
    Der Dieb schüttelte den Kopf. »Ihr bereitet mir keine Mühe. Viel kann ich ohnehin nicht tun, und der Arzt wird kaum so rasch zurückkehren … Euer Drache hat ihn in den Finger gebissen.«
    »Dann hatte er es auch verdient«, sagte Ardeija, nicht, weil es gesagt werden musste, sondern weil es gut tat, wacher zu werden und zu sprechen, wenn auch mit aufgesprungenen Lippen und trockenem Mund. »Gjuki weiß gute Leute von bösen zu unterscheiden.«
    Es war gewiss kein Zufall, dass der Drache daraufhin ein zustimmendes Schnauben von sich gab.
    Der Dieb lachte. »Du bist also Gjuki, ja?«
    Eine Hand mit so langen, geschmeidigen Fingern, wie sie den Unternehmungen ihres Besitzers wohl dienlich waren, fuhr sacht an dem doppelten Zackenkamm auf Gjukis Rücken entlang. Der kleine Drache, der sich mittlerweile neben Ardeijas rechter Schulter zusammengerollt hatte, ließ es nicht nur geschehen, sondern schien die Aufmerksamkeit gar noch zu genießen, so dass Ardeija fast zu hoffen begann, es doch nicht so schlecht getroffen zu haben. Er selbst war höflich gewesen, weil er vorerst wohl oder übel mit dem Dieb würde auskommen müssen. Doch Gjuki war ein Drache, kein Mensch, der Zuneigung aus Berechnung hätte heucheln können, und das Behagen, das er nun empfand, war nicht gespielt.
    Der Dieb tat ihm den Gefallen, die Fingerspitzen weiterwandern zu lassen, bis zu der Stelle an Gjukis Nacken, an der sich der Drache am liebsten kraulen ließ.
    »Was den Arzt betrifft«, fuhr er nebenbei fort, »so weiß ich nicht, ob er es wirklich verdient hatte, gebissen zu werden; vielleicht ja. Es war jedenfalls gut, dass Ihr nicht sehr wach wart, als er an die Arbeit gegangen ist.«
    Es hätte Ardeija nicht sonderlich überrascht, wenn er das Gefühl allgemeiner Schwäche und die wirren Erinnerungen eher dem Heilkundigen als den ursprünglichen Verletzungen zu verdanken gehabt hätte. »Hat er seine Sache denn gut gemacht?«
    Der Dieb hob die Schultern. »Soweit ich es beurteilen kann, hat er keine großen Fehler begangen, aber er war grob und nachlässig und wäre noch nachlässiger gewesen, hätte Herr Theodulf ihm nicht geraten, sich besser um Euch zu kümmern. Er scheint seltsame Maßstäbe anzulegen, Theodulf, meine ich. Einen Verwundeten hier unten verkommen zu lassen, erscheint ihm vertretbar, doch gesund werden soll der Mann gefälligst … Aber so geht es zuweilen, nicht wahr?«
    »Theodulf hätte mich totschlagen sollen, als er es konnte«, sagte Ardeija grimmig und meinte es beinahe ernst.
    »Es geschieht gar nicht so selten, dass man Leute nicht totschlägt, sie mühevoll gesundpflegt und sie dann doch nur wieder um ihre Gesundheit oder gar ums Leben bringt«, erwiderte der Dieb, der sich wohl selbst keine sonnigen Zukunftsaussichten
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