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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
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plaudert sich schlecht unter Fremden, nicht wahr? Ich bin Ardeija, noch aus Aquae Calicis, bald aber aus Tricontium. Meine Herrin geht dorthin und ich gehe mit, wie es der Lauf der Welt ist.«
    Er hätte eben jetzt auf dem Weg nach Tricontium sein sollen und fragte sich, ob man wohl bereits nach ihm suchte. Gewöhnlich verspätete er sich nicht um mehrere Tage, und Frau Herrad kannte ihn lange und gut genug, um zu wissen, dass er ihr eine Nachricht gesandt hätte, wenn harmlose Gründe für sein Ausbleiben verantwortlich gewesen wären. Wie rasch sie allerdings darauf verfallen würde, auf dem Brandhorst nach ihm zu suchen, war eine andere Frage. Wenn Asgrim kein Lösegeld verlangte und auch sonst nicht bekannt machte, dass er Ardeija in seiner Gewalt hatte, würde man ihn hier nicht vermuten.
    »Tricontium?« Wulfila hatte sich neben ihn gekniet und half ihm, den Krug an die Lippen zu setzen. »Da oben ist seit dem Krieg nicht mehr viel. Was will deine Herrin dort?«
    Das Wasser war abgestanden, aber besser als nichts. »Sie löst Herrn Honorius ab. Der Vogt von Aquae hat verfügt, dass Herr Honorius als Richter der Tricontinischen Mark abzuberufen, Frau Herrad aber dorthin zu entsenden sei.«
    »Herrad, die Richterin am Niedergericht zu Aquae Calicis?« Die Frage war ruhig, fast beiläufig gestellt, doch Ardeija hatte das kurze Zögern, das ihr vorausgegangen war, durchaus bemerkt.
    »Das war sie bis vor zwei Wochen, ja«, erwiderte er dennoch nur, als sei ihm nichts aufgefallen, »nun aber ist sie königliche Richterin der Marchia Tricontina.«
    »Eine große Ehre«, sagte Wulfila mit leichtem Spott. »Doch eine, auf die man lieber verzichtet, nicht wahr?«
    »Wärst du gern Richter in Tricontium?«, gab Ardeija im gleichen Ton zurück und bereute es noch während er sprach. Die Aussicht, in den unruhigen Grenzlanden zum Richter gemacht zu werden, war unerfreulich und Frau Herrad hatte über Vogt Getas Anordnung geflucht, aber Wulfila konnte zu Recht einwenden, dass es weitaus Schlimmeres gab, etwa im Turm auf dem Brandhorst zu sitzen, nicht wie Ardeija widerrechtlich gefangen, sondern vermutlich unter einer durchaus berechtigten Anklage, und mochte sie auch nur auf Landstreicherei oder etwas ähnlich Belangloses lauten.
    Auf Milde konnte er kaum hoffen, nicht allein, weil Asgrim nie danach getrachtet hatte, sich den Ruf sonderlicher Güte zu erwerben. Die Zeiten waren einfach zu unsicher geworden, seit die Schlacht von Bocernae hier im Norden den Lauf der Welt gestört hatte. Es gab zu viele Diebe, herrenlose Krieger, Bettler und kleine Gauner, als dass man einem einzelnen Fall noch viel Beachtung geschenkt hätte. Wenn sogar Frau Herrad gelegentlich verzweifelte und weniger gründlich war, als es ihr selbst behagte, was konnte man dann von einem Fürsten im Grenzland erwarten, der ohnehin eher nach Gewohnheit und Ermessen als nach dem in den Leges et constitutiones festgeschriebenen Recht entscheiden würde?
    Doch Wulfila nahm die ungeschickte Frage, wie sie gemeint gewesen war, und lachte. »Nein, ich wäre nicht gern Richter, weder in Tricontium noch sonst irgendwo. Ich wäre vermutlich berüchtigt ob meiner Fehlurteile und hätte noch nicht einmal den Verstand, für solche Ungerechtigkeiten gutes Geld zu verlangen. Doch glücklicherweise« – er hob die Hand, die das Brandmal trug – »werde ich ohnehin nie in die Verlegenheit kommen.«
    Ardeija fiel nichts Unverfängliches ein, was er darauf hätte erwidern können, und es war gewiss nicht die rechte Zeit, sich geradeheraus zu erkundigen, wie in nicht ganz sieben Jahren aus dem Wulfila, den er gekannt hatte, ein Dieb geworden war.
    »Mir fällt eben auf, dass ich Wulfin immer noch nichts darüber erzählt habe, wie ich hierher gelangt bin«, bemerkte er daher und hoffte inständig, dass Wulfila den Bruch im Gespräch klaglos hinnehmen würde; indem er den Kopf zu dem Jungen wandte, fuhr er fort: »Asgrims Leute haben mich unten im Kranichwald in einen Hinterhalt laufen lassen, ohne guten Grund, es sei denn, alte Feindschaft zählt.«
    Das Tuch war wieder hinabgeglitten, und Gjuki, der halb darunter verschwand, beschwerte sich mit einem missbilligenden Schnarren, wie er es sonst nur vernehmen ließ, wenn man ihn baden wollte. Diesmal war es Wulfin, der das feuchte Stück Stoff fürsorglich wieder aufsammelte.
    »Die Richterin wird viel bezahlen müssen, damit man Euch freilässt, nicht wahr?«, bemerkte er mit solcher Selbstverständlichkeit, dass Ardeija
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