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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition)
Autoren: Maike Claußnitzer
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Begriff gestanden, etwas Verbotenes zu sagen, und sich gerade eben noch gefangen.
    Herrad duckte sich unter einer weiteren Windböe. »Es sei denn?«
    Oshelm trieb sein Pferd an, um neben seine Herrin zu gelangen. »Es sei denn, er hätte sich besonnen, dass man nirgendwo näher an Bocernae vorüberkommt als dort. Es steht nicht mehr viel vom alten Kloster, das ist wahr, doch der Weg durchquert eben die Flussniederung und muss wohl das nördliche Ende des damaligen Schlachtfelds berühren. Genau weiß ich es aber nicht; ich war nach dem Kampf nie dort, und auch nicht währenddessen, Deo gratias !«
    »Ihr meint, dass er Bocernae lieber fernbleiben wird?« Die Frage war so gut wie überflüssig, und Oshelm hob denn auch nur die Schultern.
    »Gesagt hat er das nicht, Frau Herrad – doch seit er weiß, dass wir nach Tricontium gehen, trägt er alle Tage sein Silberkreuz und das Bernsteinamulett, das seine Mutter ihm gegeben hat, um den Hals, und als ich ihn fragte, ob es ein hoher Feiertag sei, da er sich so schmücke, erwiderte er mir, man könne nun, da es nach Norden gehe, doch nicht vorsichtig genug sein, was den göttlichen Beistand betreffe … Und wenn das nicht auf Bocernae gemünzt war, worauf dann?«
    »Ihr habt mir gerade eben noch von heidnischen Opfern und dergleichen hier in der Gegend erzählt«, gab Herrad ohne sonderlich große Überzeugung zu bedenken.
    Spott blitzte in Oshelms Augen auf. »Ja – davor wird sich jemand, der ein christliches Kreuz und Hexenwerk aus den Steppen an ein und dieselbe Kette hängt, auch ganz besonders fürchten.«
    »Ob die hiesigen alten Götter denen des Ostens sehr wohlgesonnen sind, können wir nicht wissen«, sagte die Richterin mit einem feinen Lächeln. »Es halten schließlich auch nicht alle Barsakhanen viel von uns, und umgekehrt … Seht dort!«
    Es war mittlerweile dunkler geworden, doch reichte das Licht noch hin, um zu erkennen, dass ihnen vom Waldrand her ein Reiter entgegenkam; der Klang der kleinen Glöckchen, die, sei es aus Eitelkeit, sei es zum Schutz gegen böse Geister, am Zaumzeug seines Pferdes befestigt waren, war bereits schwach von ferne zu hören.
    Oshelm lachte. »Wenn man vom Teufel spricht … Folglich muss der Weg dort oben gangbar sein, nicht wahr?«
    Fast hätte auch Herrad sich getäuscht. In der Dämmerung war der Fremde in seinem meergrünen Mantel auf dem gedrungenen Steppenpferd leicht mit Ardeija zu verwechseln. Doch obgleich auf die Entfernung noch keine Gesichtszüge auszumachen waren, schien der Richterin etwas an dem, was sie sah, Oshelms Eindruck zu widersprechen, ohne dass sie es klar hätte benennen können. »Nein«, sagte sie mit einem leichten Kopfschütteln, »nein, das ist er nicht – es ist zwar ein Pferd wie seines, aber er würde anders darauf sitzen.«
    Der Schreiber kniff die Augen zusammen, gab es dann aber auf, mehr erspähen zu wollen. »Ihr habt einen schärferen Blick als ich. Es wird sein, wie Ihr sagt.«
    In der Tat erwies sich Herrads Einschätzung als zutreffend, als der Mann sich weiter näherte. Der Reiter war zu alt, als dass sie den Vermissten hätten vor sich haben können; er hatte sein fünfzigstes Jahr schon überschritten und sein Mantel, der von einer schönen Silberfibel gehalten wurde und offensichtlich keinem kleinen Drachen als Versteck diente, war neuer als der Umhang, den der Hauptmann gewöhnlich auf Reisen trug.
    »Ein Teufel von anderer Art«, bemerkte Oshelm mit gesenkter Stimme. »Oder doch ein Unterteufel.«
    Herrad nickte unmerklich und hob die Hand, um den Nachfolgenden zu gebieten, anzuhalten. »Nur ein Nachbar, von nun an«, entgegnete sie ebenso leise, »wie alle Leute vom Brandhorst. Daran werden wir uns gewöhnen müssen.«
    Oshelm war glücklicherweise klug genug, darauf nichts zu erwidern, denn der mit so schmeichelhaften Bezeichnungen bedachte Reiter hatte sein Pferd ebenfalls gezügelt und kam nun langsam heran.
    »Frau Herrad«, grüßte er und neigte, ohne seine Kappe abzunehmen, den Kopf in wohlberechneter Vermeidung einer eigentlichen Verbeugung nur leicht.
    »Wenn Ihr heute noch nach Aquae wollt, seid Ihr spät aufgebrochen, Herr Theodulf«, sagte Herrad, nicht minder als ihr Gegenüber darauf bedacht, die Höflichkeit nicht überhandnehmen zu lassen. »Ihr werdet Euch sputen müssen!«
    »Macht Euch um mich keine Sorgen«, gab Asgrims Schwertmeister wohlgemut zurück, »ich bin nur unterwegs, um einen Besuch bei Freunden zu machen, und werde schon bei ihnen sein,
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