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Tricks

Tricks

Titel: Tricks
Autoren: Alice Munro
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Räumen oder eine Viertelmeile voneinander entfernt.
    Dann wurde die Trefferquote, die Tessa erzielte, mit den Resultaten verglichen, die auf reinem Zufall beruhten. Auf dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit, das seines Wissens bei zwanzig Prozent lag.
    Nichts im Raum außer einem Stuhl und einem Tisch und einer Lampe. Wie ein Verhörraum. Tessa kam immer völlig ausgewrungen heraus. Die Symbole verfolgten sie, überall sah sie noch stundenlang die Symbole. Kopfschmerzattacken setzten ein.
    Und die Ergebnisse waren nicht stichhaltig. Alle möglichen Einwände wurden laut, nicht gegen Tessa, aber dagegen, ob die Tests wirklich einwandfrei waren. Es wurde vorgebracht, dass alle Leute Vorlieben haben. Wenn sie zum Beispiel eine Münze werfen, dann werden mehr auf Kopf als auf Zahl tippen. Es ist einfach so. All das. Und hinzu kam das, was er schon erwähnt hatte, das damalige Klima, das geistige Klima, das solche Untersuchungen ins Reich der Spielereien verwies.
    *
    Es dunkelte. Das GESCHLOSSEN -Schild wurde in die Restauranttür gehängt. Ollie hatte Schwierigkeiten, die Rechnung zu entziffern. Es stellte sich heraus, dass der Grund für seine Fahrt nach Vancouver, das medizinische Problem, mit seinen Augen zu tun hatte. Nancy lachte, nahm ihm die Rechnung aus der Hand und zahlte.
    »Aber selbstverständlich – bin ich nicht die reiche Witwe?«
    Dann, weil ihr Gespräch noch nicht beendet war – noch nicht annähernd beendet, so sah es Nancy –, gingen sie die Straße hinauf in ein Denny's, um Kaffee zu trinken.
    »Vielleicht schwebt dir was Feineres vor?«, fragte Ollie. »Vielleicht ist dir nach was Alkoholischem?«
    Nancy sagte rasch, dass sie für eine ganze Weile lang auf dem Schiff genug davon getrunken hatte.
    »Ich hab für mein ganzes Leben lang genug davon getrunken«, sagte Ollie. »Bin seit fünfzehn Jahren davon weg. Seit fünfzehn Jahren und neun Monaten, um genau zu sein. Einen alten Trinker erkennt man immer daran, dass er die Monate zählt.«
    In der Phase der Experimente, der Parapsychologen, erwarben sie sich einige Freunde. Sie lernten Leute kennen, die ihre Fähigkeiten zu Geld machten. Nicht im Dienste der sogenannten exakten Wissenschaften, sondern mit dem, was sie Weissagen oder Gedankenlesen oder Telepathie oder übersinnliches Varieté nannten. Manche ließen sich an einem guten Standort nieder, in einem Haus oder in einem Laden in einer Geschäftsstraße, und blieben jahrelang. Das waren diejenigen, die sich damit befassten, persönliche Ratschläge zu erteilen, die Zukunft vorauszusagen, Astrologie zu treiben und von bestimmten Krankheiten zu heilen. Andere traten öffentlich auf. Das reichte von Auftritten bei bunten Abenden mit Vorträgen und Lesungen und Szenen aus Shakespeare und Opernarien und Lichtbildshows von Reisen (Bildung statt Sensationen) bis ganz hinunter zu billigen Rummelplätzen mit Tingeltangel und Hypnose und einer fast nackten Frau, die sich überall Schlangen umlegte. Natürlich zogen Ollie und Tessa es vor, sich zur ersten Kategorie zu zählen. Bildung statt Sensationen war in der Tat das, was ihnen vorschwebte. Aber wiederum hatten sie einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt. Diese niveauvolleren Unterhaltungsveranstaltungen waren so gut wie erledigt. Musik und Bildungssendungen konnte man im Radio hören, und die Leute hatten im Gemeindesaal Lichtbildvorträge bis zum Überdruss gesehen.
    Der einzige Weg, etwas Geld zu verdienen, der sich ihnen auftat, war, sich den Wandershows anzuschließen, in Stadthallen oder auf Jahrmärkten aufzutreten. Sie teilten sich die Bühne mit Hypnotiseuren und Schlangendamen und zotenreißenden Alleinunterhaltern und Stripperinnen in Federn. Auch mit dieser Form der Unterhaltung ging es bergab, aber der aufkommende Krieg sorgte merkwürdigerweise für Auftrieb. Ihr Leben wurde noch ein Weilchen künstlich verlängert, als die Benzinrationierung die Leute davon abhielt, zu den Nachtclubs oder den großen Lichtspielhäusern in der Innenstadt zu fahren. Und es gab noch kein Fernsehen, das die Leute zu Hause auf dem Sofa mit Zauberkunststücken unterhielt. Die frühen fünfziger Jahre, Ed Sullivan und so weiter – das war dann wirklich das Ende.
    Trotzdem gab es noch eine Zeitlang viel Zulauf, volle Häuser – Ollie genoss es manchmal, das Publikum mit einem ernsten, aber faszinierenden kleinen Vortrag aufzuwärmen. Und bald wurde er Teil der Nummer. Sie mussten etwas ausarbeiten, das ein bisschen aufregender war, mit mehr Dramatik oder
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