Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal
Autoren: Klaus Erfmeyer
Vom Netzwerk:
und in juristischen Belangen Ihre fachkundige Unterstützung.«
    Marie und Stephan hörten erstaunt zu. Nach nur wenigen Augenblicken hatte Bromscheidt das Gespräch in eine komplizierte Thematik vertieft.
    »Aber es gibt doch schon so viel zum Dritten Reich«, protestierte Dörthe Löffke. »Irgendwann hat man es doch satt.«
    »Es wird ganz wissenschaftlich werden«, beschwichtigte ihr Mann, um die unversehens wuchernden Zweifel zu ersticken, die das Projekt schon zu gefährden schienen, bevor es überhaupt klare Konturen gewann.
    Bromscheidt erhob sich. »Darf ich Ihnen einen Wein anbieten? Einen Rotwein? – Vielleicht einen Montepulciano? Dazu etwas Gebäck?«
    Löffke war entzückt. Ein Gastgeber, der seine Vorliebe für Weine bediente, musste ein guter Gastgeber sein. Löffke liebte abendliche Fachgespräche bei einem Glas Rotwein. Wie oft sehnte er auf mehrtägigen Seminaren den Abend herbei, um nach stundenlangem Ausharren bei langweiligen Referaten in eine befreiende Weinseligkeit einzutauchen, in der er sich entfalten und plaudernd mit allen Themen jonglieren konnte. Löffke lebte für die Abende, trank sich in die Nacht und verließ häufig als Letzter die Bar.
    »Sie kennen sich aus«, schwärmte er. »Woher wissen Sie, dass ich gerade diesen Rotwein so gern trinke?«
    »Es geht nicht nur um Sie«, belehrte Bromscheidt sanft.
    »Es war nur ein Vorschlag. Der Rotwein passt in diese Jahreszeit. Januar. Dunkelheit, Regen und Wind, heute sogar mit etwas Schnee dabei. Da sucht man die Behaglichkeit. – Trinken Sie, was Sie mögen! Ich werde bemüht sein, Ihre Wünsche zu erfüllen.«
    Man blieb beim Rotwein. Löffke bestimmte, dass Dörthe anschließend fahren sollte; sie und Stephan wählten Saft.
    »Aber Sie werden einen Freisler keinen Juristen nennen wollen«, hob Frodeleit erneut an.
    »Sehen Sie!« Bromscheidt setzte sich wieder, füllte bedächtig sein Glas und stellte die Weinflasche auf den Tisch. »Um solche Fragen geht es. Roland Freisler war ein exzellenter Jurist. Einerseits war er die lärmende Gestalt, die in menschenverachtender Art und Weise Prozesse vor dem Volksgerichtshof zelebrierte. Auf der anderen Seite hat Freisler das getan, womit sich Juristen immer wieder gern schmücken; ich spreche von der Publikation zahlreicher juristischer Aufsätze und Abhandlungen. Dort hat er immer wieder unter Beweis gestellt, dass er sauber subsumieren und schlussfolgern konnte. Und wenn Sie heute seine Beiträge lesen, dann begegnen Sie einem weitaus nüchterneren Freisler, der scheinbar ausgewogen und in der Argumentation zwingend juristische Probleme analysierte. Das ist ein ganz anderer Freisler als dieser demagogische Teufel, den wir kennen. Juristen, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, sind eine gefährliche Spezies, immerhin sind sie die Zahnräder jeglicher staatlicher Maschinerie.«
    Bromscheidt hatte Frodeleit ins Visier genommen. Doch statt seiner parierte Frodeleits Frau. »Ich finde trotzdem: Irgendwann muss mal Schluss sein. Dörthe hat es schon gesagt.«
    »Ob es so ist, wird ein Thema unseres Projekts sein«, erwiderte Bromscheidt versöhnlich und hob sein Glas. »Jedenfalls kann ich mir sehr gut eine fruchtbare Zusammenarbeit vorstellen, in die wir uns alle einbringen: Herr Löffke als engagierter Anwalt, Herr Frodeleit als ein schon durch seine Karriere ausgewiesener Richter und Herr Knobel als – ja, als was …?«
    »Als Protokollant – gemeinsam mit Marie«, schlug Stephan vor.
    »Wollen Sie wirklich mit dabei sein? Mir scheint, als würden Herr Löffke und Herr Frodeleit schon zentrale Plätze besetzen. Nicht, dass Sie sich überflüssig fühlen.«
    »Herr Knobel wird das Projekt wissenschaftlich begleiten«, schlug Löffke vor.
    Stephan merkte, dass sich im Kopf seines bulligen Kollegen ein Mosaik zusammenfügte, das ihn und Bromscheidt als Schöpfer und Leiter des Projekts, Frodeleit als wissenschaftlichen Assistenten und ihn und Marie als bloße Schreiberlinge ausweisen würde.
    Löffke erhob sich und trat an die große Fensterfront. »Das ist ja geil!«, begeisterte er sich. »Kommen Sie mal!« Er schwenkte verzückt sein Rotweinglas.
    Elektrisiert standen die anderen auf und traten bis auf Bromscheidt neugierig ans Fenster.
    Unter ihnen erstreckte sich ein etwa 30 Meter langer und fünf Meter breiter beleuchteter Swimmingpool azurblau funkelnd in die Dunkelheit. Aus dem Wasser stiegen Dampffahnen wie wolkige Girlanden auf.
    »Das Becken hat eine praktische Form«, fand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher