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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Single-Freiheit.«
    Andresen sah ihr verständnislos hinterher, nahm seinen Cappuccino und ging zurück in sein Büro. Er setzte sich an den Schreibtisch und griff nach einem Stapel Papier, der in seiner Ablage lag. Er war erstaunt darüber, wie wenig Emotionen Ida-Maries falsches Spiel in ihm hervorrief. Sollte sie sich ruhig bewerben, er war sich sicher, dass man sich für ihn als Kommissariatsleiter entscheiden würde.
    Er blätterte die Unterlagen durch.
    Seine Aufmerksamkeit blieb an den Aufzeichnungen der letzten Tage hängen. Müde schüttelte er den Kopf. Wie viel Zeit sie damit verbracht hatten, die einzelnen Fakten zusammenzufügen. Hartnäckig hatten sie versucht, Verbindungen zwischen den Opfern und Verdächtigen herzustellen. Er blickte auf seine verzweifelten Versuche und stellte fest, dass er im Grunde gar nicht einmal so falschgelegen hatte. Und trotzdem hatte die entscheidende Spur gefehlt.
    Sein Telefon klingelte. Er sah, dass es Sylvia aus dem Sekretariat war.
    »Was gibt es?«, meldete er sich.
    »Hier ist eine Frau, die dich sprechen möchte. Ihr Name ist Hanka Weichert.«
    »Schick sie bitte rein.« Andresen hatte sie zwar eigentlich erst für den Nachmittag vorgeladen, aber wenn sie schon mal hier war, würde er sie sofort vernehmen. Den Termin im Krankenhaus würde er allerdings kaum einhalten können. Doch das war ihm in diesem Moment egal. Schließlich war Hanka Weicherts Rolle in diesem Fall noch immer unklar.
    »Guten Morgen«, begrüßte er sie, als sie sein Büro betrat. »Waren wir nicht erst für heute Nachmittag verabredet?«
    »Ja, entschuldigen Sie, aber am Nachmittag ist mir kurzfristig etwas dazwischengekommen.«
    »Schon gut. Nehmen Sie bitte Platz.«
    Doch Hanka Weichert zog es vor, das Gespräch im Stehen zu führen. Sie lehnte sich gegen einen der großen Metallschränke und kam direkt zur Sache. »Die Vorfälle der letzten Zeit haben mir einfach keine Ruhe gelassen. Immer wieder habe ich mich gefragt, was das alles mit mir zu tun gehabt hat. Warum Jimmy Vosberg ausgerechnet mich umbringen wollte.«
    Andresen nickte und fixierte sie. »Haben Sie eine Antwort darauf gefunden?«
    »Nein«, erwiderte sie vehement. »Mir ist vollkommen unerklärlich, was ich mit dieser ganzen Sache zu tun habe. Und dann jagt er auch noch Dieters Boot in die Luft.«
    »Tatsächlich?«, fragte Andresen herausfordernd. »Mir ist etwas ganz anderes zu Ohren gekommen. Kann es nicht sein, dass Lohberg und Sie die ganze Zeit ahnten, was hinter den Mordfällen steckt?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Hanka Weichert erstaunt.
    »Erinnern Sie sich nicht? Ihr Treffen auf dem Boot. Lohberg und Sie haben das Ganze Ihrem Freund Piet gebeichtet.«
    »Sie waren das also …«, sagte Hanka Weichert konsterniert. Offenbar hatte sie geglaubt, dass Vosberg sie beobachtet hatte.
    »Also, ich höre«, sagte Andresen.
    Sie wandte sich ab und schwieg.
    »Ich rate Ihnen, jetzt zu –«
    »Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Ich erzähle Ihnen, was ich damals beobachtet habe. Aber Sie müssen mir glauben, dass ich niemals beabsichtigt habe, Gisela Sachs zu schützen.«
    »Das haben Sie mit Ihrem jahrelangen Schweigen aber getan«, sagte Andresen hart.
    »Ich war mir doch gar nicht sicher«, rief Hanka Weichert. »Hätte ich es mit eigenen Augen gesehen, wäre ich sofort zur Polizei gegangen.«
    »Erzählen Sie jetzt bitte, was damals vorgefallen ist.«
    Noch einmal atmete sie deutlich hörbar aus, dann begann sie zu erzählen. »Die Klasse, in die Jimmy Vosberg ging, hatte an diesem Morgen Sportunterricht. Ich kam am Klassenraum vorbei und wunderte mich über die Stimmen, die herausdrangen. Die Tür stand einen Spalt auf, also warf ich einen Blick hinein. Ich sah, wie Gisela Sachs auf Jimmy einredete. Sie waren allein in dem Raum. Sie schien über irgendetwas erbost zu sein und schimpfte mit ihm. Als sie bemerkte, dass ich an der Tür stand, war es, als würde sie einen Schalter umlegen. Mit einem Mal war sie ganz freundlich zu Jimmy und streichelte ihm über die Wange.«
    »Und das hat Sie glauben lassen, dass Gisela Sachs Jimmy Vosberg missbraucht hat?«
    »Nein, das allein sicherlich nicht. Wobei mich die Situation schon stutzig gemacht hat. Erst als ich von Katharina Kocks Vermutungen gehört habe, zählte ich eins und eins zusammen. Ich habe damals nur mit Dieter Lohberg über die Sache gesprochen. Er war ein enger Vertrauter von mir.«
    »Sie haben es also gewusst und geschwiegen.«
    »Nein, ich habe es nicht
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