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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Schulden. Nicht mal die Miete für diesen Monat kann ich noch zahlen.«
    »Aber …« Andresen fehlten die Worte. »Deine Mutter und ich überweisen dir doch genug Geld. Dazu dein Ausbildungslohn. Wieso hast du denn vorher nichts gesagt?«
    »Weil ich mich nicht getraut habe«, antwortete Ole leise.
    »Aber wo bleibt denn das ganze Geld?«, fragte Andresen fassungslos.
    »Ich bin spielsüchtig. Alles Geld, was ich hatte, und noch viel mehr, hab ich mit Onlinewetten verzockt.«
    Andresen starrte seinen Sohn an. Er sah die Tränen in seinen Augen und spürte, dass ihm selbst nach Weinen zumute war. Der Drang, Ole die Leviten zu lesen, war stark, aber er entschied sich für einen anderen Weg. Er strich ihm über die Wange und nahm ihn schließlich in den Arm. Minutenlang blieben sie so stehen, dann löste sich Andresen, trat einen Schritt zurück und blickte Ole in die Augen.
    »Ich möchte, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin. Egal, was passiert.« Er hielt inne, zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und reichte es Ole. »Wenn du wirklich hier einziehen möchtest, steht die Tür für dich immer auf. Es würde mich sehr glücklich machen.«
    Ole nickte und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann zwang er sich ein Lächeln ab, ehe er sein Gesicht erneut in Andresens Schulter vergrub.

33

    Andresen lachte noch, als er den Flur im dritten Stockwerk des Polizeipräsidiums betrat. Gerade mal zwei Wochen war es jetzt her, dass er Martina im Fahrstuhl getroffen hatte. Damals hatte alles angefangen, erinnerte er sich. Und heute schloss sich der Kreis. Sie hatte ebenfalls lachen müssen, als sie im Erdgeschoss eingestiegen war. Auf eine seltsame Art und Weise verband sie beide dieser Fall, dachte Andresen, als er die Tür zu seinem Büro aufschloss. Sein Blick fiel auf die Wanduhr. Viel Zeit blieb ihm nicht. Um zehn Uhr hatte er einen Termin im Uniklinikum. Er sollte Gisela Sachs vernehmen, die seit gestern wieder ansprechbar war.
    Er schaltete den Computer ein, hängte seine Jacke auf und ging zum Kaffeeautomaten auf dem Flur. Auf dem Weg traf er Ida-Marie.
    »Na«, sagte sie leise. »Alles klar bei dir?«
    Er spürte, dass sie befangen war. Glaubte sie etwa, er hätte das Ganze nicht verkraftet?
    »Danke der Nachfrage. Mir geht es gut.«
    Er drückte auf eine Taste und wartete, bis sein Cappuccino durchgelaufen war. Ida-Marie stand neben dem Automaten und sah ihn an. Andresen merkte, dass sie etwas sagen wollte.
    »Sag schon, was los ist«, drängte er. »Wenn du wissen willst, ob ich dir hinterhertrauere, muss ich dich enttäuschen. Ich liebe Wiebke. Vielleicht hat der kleine Ausrutscher mit dir am Ende auch etwas Positives. Ich weiß jetzt endlich, wohin ich gehöre.«
    »Das freut mich für dich, aber es geht um etwas anderes«, sagte Ida-Marie. »Du weißt, dass Sibius uns in Kürze verlassen wird. Und du weißt auch, dass schon bald ein neuer Kommissariatsleiter bestimmt werden muss.«
    Andresen ahnte, worauf sie hinauswollte, und musste an Julias Worte denken. Sie hatte ihm gesteckt, dass es jemand auf Sibius' Posten abgesehen und ihn deswegen beim Chef angeschwärzt hatte. Es war also offenbar Ida-Marie gewesen.
    »Gratulation«, sagte er nach einer Weile. »Ganz großes Kino.«
    »Was meinst du?«
    »Dass du Sibius erzählt hast, ich hätte ein Auge auf dich geworfen. Glaubst du, ich sehe nicht, dass du es längst auf Sibius' Stelle abgesehen hast? Dabei scheint dir ja jedes Mittel recht zu sein.«
    »Das stimmt so nicht«, antwortete sie entschieden. »Ich habe nichts Schlechtes über dich erzählt. Außerdem ist längst nicht klar, ob ich mich auf Sibius' Posten bewerbe. Ich wollte gerade mit dir darüber reden.«
    »Ach nein? Du hältst mich wohl für total bescheuert, oder? Alles, was zwischen uns passiert ist, diente nur einem einzigen Zweck. Mich dumm dastehen zu lassen, damit der Weg für dich frei ist. Ich habe verstanden, wie du tickst.«
    »Das ist doch Blödsinn, was du da erzählst. Du verkraftest einfach nicht, dass ich nichts von dir will. Deshalb wirfst du mir jetzt diesen Quatsch vor. Ob ich mich auf Sibius' Posten bewerbe oder nicht, hat jedenfalls nichts mit dir zu tun.« Ida-Marie wandte sich auf dem Absatz um und ging. Als sie schon fast in ihrem Büro war, blieb sie noch einmal stehen und drehte sich zu ihm um.
    »Vielleicht hätte es vor zehn Jahren etwas mit uns werden können, als ich noch auf der Suche nach einem festen Partner war. Mittlerweile genieße ich meine
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