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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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ließ.
    »So, jetzt hört mir mal gut zu. Wenn ihr etwas zu sagen habt, dann raus damit! Am besten, ihr kommt alle mit in mein Büro und erzählt es mir da!« Er drehte den verdutzt dreinschauenden Streifenpolizisten den Rücken zu und verließ verärgert die Kantine.
    Eine halbe Stunde später saß er wieder allein in seinem Büro. Was sie berichtet hatten, hatte ihn kaum weitergebracht. Sie vermuteten zwar, dass der Tod der Frau durch Fremdeinwirkung eingetreten war, konkrete Anhaltspunkte hatten sie jedoch nicht.
    Sie benötigten Fakten, die bewiesen, dass bei beiden Todesfällen ein Tötungsdelikt vorlag. Außerdem mussten sie versuchen, einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen herzustellen.
    Andresen ging noch einmal alles durch. Er musste dringend mit Professor Birnbaum sprechen. Nur so konnte er Gewissheit darüber erlangen, was die Todesursache der beiden Frauen betraf.
    Er griff zum Hörer und rief Ida-Marie an. »Ich fahre gleich in die Rechtsmedizin. Mal sehen, was Birnbaum zu berichten hat. Hast du Lust, mitzukommen?«
    »Klar, wenn du mich so nett fragst. Ich befürchte allerdings, dass mir bei diesen Leichenfledderern schlecht wird.«
    »Na prima. Probier's mal mit 'nem Schnaps und 'nem Kaugummi. Hat bei mir früher immer geholfen. Meistens ist es nicht der Anblick der Leichen, sondern der seltsame Geruch, der einem den Magen umdreht.«
    »Birgers Hausmittelchen«, antwortete Ida-Marie lachend. »Ich probier's mal.«
    »Aber nur einen Schnaps. Du musst nämlich fit sein. Wir haben vorher noch einen anderen Termin.«
    »Aye, aye, Sir!«

5

    Andresen parkte seinen Volvo vor dem Bürogebäude in der Geniner Straße unweit des Gasometers und wunderte sich wie schon bei ihrem ersten Besuch über den wenig vornehmen Sitz der Wirtschaftsprüfung.
    Die hübsche Sekretärin, die die Tür öffnete, schenkte ihm und Ida-Marie ein strahlendes Lächeln. Sie folgten ihr den langen Flur bis ans Ende des Gangs. Dabei warf Andresen einen Blick links und rechts in die Büroräume, in denen junge, aufstrebende Mitarbeiter in feinen Anzügen und Kostümen saßen.
    »Einen kleinen Augenblick noch. Herr Ensink wird gleich für Sie da sein. Möchten Sie Wasser oder einen Kaffee?«
    »Für mich bitte einen Tee, falls das keine Umstände bereitet«, antwortete Andresen.
    »Überhaupt nicht. Sie können solange schon einmal Platz nehmen«, sagte die Sekretärin und verschwand mit einem eleganten Hüftschwung auf den Gang.
    Das Vorzimmer des Chefbüros sah aus, als hätte jemand versucht, bei der Wahl des geschmacklosesten Büros den ersten Preis zu gewinnen. Die schwarzen Möbel wirkten trist und lieblos ausgewählt. Über einem Sideboard hing ein Ölgemälde, das den Anschein erweckte, gerade eben noch dem Sperrmüll entkommen zu sein. Die beiden modernen, aber billigen Bürostühle, auf denen sie saßen, und der stillose Glastisch, auf dem einige Prospekte lagen, rundeten den negativen Gesamteindruck des Zimmers ab. Entweder warf der Laden nicht genug Geld ab, oder hier wurde so viel gearbeitet, dass für solche Details keine Zeit blieb.
    Die Tür zum Chefbüro öffnete sich, und ein Mann um die vierzig trat auf sie zu. Andresen musterte ihn. Roland Ensink trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine blau-weiß gestreifte Krawatte. Hanseatisch schick, aber auch etwas unmodern.
    Ensink begrüßte sie mit aufgesetzter Lockerheit und bat sie herein. Nach dem üblichen Small Talk nahmen sie an einem kleinen Besprechungstisch Platz. Abgestandene Luft hing im Raum; Andresen erinnerte sich, dass ihm der unangenehme Geruch bereits bei seinem letzten Besuch aufgefallen war.
    »Um gleich zum Wesentlichen zu kommen«, begann er. »Wir haben neue Erkenntnisse, die den Fall möglicherweise in einem anderen Licht erscheinen lassen.«
    »Ach ja? Dann schießen Sie mal los. Ich bin gespannt.« Ensink nahm eine überhebliche Abwehrhaltung ein. Er hatte schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass er von der Ermittlungsarbeit nicht sonderlich viel hielt.
    »Wie Sie wissen, haben wir damals in der Nähe des eingeschlagenen Fensters ein Stück Stoff gefunden. Unserem Labor ist es gelungen, Spuren zu identifizieren und einen genetischen Fingerabdruck zu erstellen.«
    Andresen machte eine Pause und trank von dem Tee, den die Sekretärin mittlerweile gebracht hatte. »Wir haben außerdem versucht, den Einbruch zu rekonstruieren, und konnten feststellen, dass es unmöglich ist, an der Gebäudefassade hochzuklettern und über das
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