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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Zeit?«, fragte er. »Dann können wir über die bisherigen Erkenntnisse und die weitere Vorgehensweise sprechen.«
    »Eigentlich ist es gerade ganz schlecht«, sagte Andresen, der mit seinen Gedanken noch immer bei Sibius und Ida-Marie war. »Können wir das nicht später machen?«
    »Die Sache hat absolute Priorität. Du hast doch gehört, was Sibius gesagt hat.«
    »Ja, schon gut. Ich bin gleich bei dir. Dann sprechen wir alles durch.« Andresen seufzte und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Vielleicht war es gut, dass er bald aufs Land zog. Keine spontanen Verabredungen mehr mit Ida-Marie, um abends in der caféBAR über die aktuellen Ermittlungen oder Gott und die Welt zu sprechen. Und auch keine weiteren Kinobesuche. Dabei war es ein wunderschöner Abend neulich gewesen. Sie hatten wirklich viel Spaß miteinander gehabt.
    Er atmete tief aus und beschloss, seine Gedanken beiseitezuschieben. Zumindest fürs Erste.

4

    »Beide Frauen sind im Klughafen in der Nähe des Binnenschiffanlegers von Joggern entdeckt worden.« Ben Kregel, der bereits die Untersuchungen im ersten Todesfall geführt hatte, saß Andresen gegenüber und versorgte ihn mit den wichtigsten Informationen.
    Die erste Tote, Brigitte Jochimsen, eine vierundsechzigjährige pensionierte Grundschullehrerin, war in den frühen Stunden am Donnerstagmorgen vor eineinhalb Wochen etwa hundert Meter von der Hubbrücke entfernt direkt an der Uferkante auf der zur Altstadt hin gelegenen Seite gefunden worden. Als vorläufige Todesursache war Tod durch Ertrinken festgestellt worden. Den abschließenden Obduktionsbericht hatte die Rechtsmedizin vorerst zurückgestellt, weil man von einem Unglücksfall ausgegangen war. Alle Indizien hatten darauf hingedeutet. Zumal der Sohn der Verstorbenen ausgesagt hatte, dass Brigitte Jochimsen unter starkem Diabetes litt und schon einige Male das Bewusstsein verloren hatte.
    »Die Leiche, die heute Morgen gefunden wurde, ist noch nicht identifiziert worden«, erklärte Kregel. »Möglicherweise handelt es sich jedoch um Katharina Kock. Eben ist eine Vermisstenmeldung eingegangen. Das könnte passen. Achtunddreißig Jahre alt, von Beruf Grafikerin.«
    Andresen nickte und machte sich Notizen.
    »Die Frauen sind in den späten Abendstunden beziehungsweise nachts ertrunken«, fuhr Kregel fort. »Alles andere ist derzeit noch ein großes Rätsel. Wir müssen die genauen Abläufe beider Todesfälle rekonstruieren, und wir benötigen dringend die Obduktionsberichte. Falls Fremdeinwirkung vorliegen sollte, müssen irgendwelche Spuren zu finden sein.«
    »Ich fahre heute Nachmittag in die Rechtsmedizin«, sagte Andresen. »Vorher habe ich noch ein bisschen Zeit, um mir die Akten über Brigitte Jochimsen durchzulesen. Wir sollten auch noch einmal mit ihren Angehörigen sprechen.«
    »Ich warne dich schon mal vor«, antwortete Kregel. »Ihr Sohn ist ein ziemlicher Kotzbrocken.«
    Gegen Mittag hatte Andresen den Großteil der Unterlagen über Brigitte Jochimsen durchgearbeitet. Viel gaben die Notizen, Protokolle und Zeitungsausschnitte nicht her. Immerhin hatte er einen groben Überblick über die bisherigen Erkenntnisse gewinnen können.
    Sein Magen knurrte. Er nahm die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wo sich die Kantine des Präsidiums befand. Mit Currywurst Pommes auf dem Tablett machte er es sich an einem der Tische bequem, an denen noch niemand saß. Nach einer Weile setzten sich einige junge Streifenpolizisten an einen der Nachbartische. Sie redeten lauthals über die Wasserleiche, die heute Morgen im Klughafen gefunden worden war. Offenbar waren ein paar von ihnen vor Ort gewesen.
    »Zum Glück lag die noch nicht allzu lange im Wasser, ansonsten hätte ich heute Morgen schon kotzen müssen«, sagte der Wortführer. »Und das hätte nichts mit den Drinks von gestern Abend zu tun gehabt.«
    Die anderen lachten laut auf und prosteten sich mit einem Malzbier zu. Anschließend widmeten sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Essen. Andresen fragte sich, ob er sich in seinen jungen Jahren ähnlich verhalten hatte. Ob er auch so respekt- und pietätlos gewesen war. Der Streifenpolizist setzte noch einmal an, wieder lauschte Andresen.
    »Mal ehrlich, so wie der Gesichtsausdruck von der aussah, kann es kein Unfall gewesen sein. Die hatte einen richtig panischen Blick, als wenn jemand sie …« Er kam nicht dazu, die letzten Worte auszusprechen.
    Andresen war so abrupt aufgesprungen, dass der junge Mann vor Schreck seine Gabel fallen
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