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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Kapitalismus in der Krise, schrieb ich einmal in einer positiven Phase meiner Essays – ich sage wieder: Pah! Als Erfindung und Profit-Maschine wird er immer funktionieren; Krisen machen ihn immer stärker. Erst wenn die Sonne erlöschen wird, erst dann wird die Hyperproduktion enden … überflüssige Produkte für überflüssige Bedürfnisse. Wie Shakespeare sagte: Time must have a stop.
    Ich bin lediglich nutzlos, sagte ich wohlgemut.
    Ein guter Besuch.
    Du bist, sagte Hohensee, hoffnungslos kontaminiert – geistig, seelisch und physisch; lerne begreifen, was der Fall ist. Höre auf deine Organe, vermeide den Verkehr mit Frauen, horche in dich, damit dich dein Absterben nicht überrascht. Das Wasserbett kommt gleich, und ich fürchte, die Geißel Schnupfen naht … Yanas Aromastoffe werden die plutonische Persistenz nicht besiegen.
    Adieu, sagte mir Hohensee beim Abschied, stirb in Unfrieden.

 
    108 Hohensee abgehakt. Wahnideen, die auf einem simplen Kausalnexus beruhen, sind langweilig. Omega-3-Fettsäuren werden überschätzt. Hätte gern mehr über seine Prostatitis erfahren. Am Plutonium sollte er nicht sterben, aber mit der inneren Kontamination behielt er recht; eines Tages mixte ihm die Geliebte Yana einen Cocktail aus exotischen Kräutern, den er nicht überlebte.
    Am nächsten Tag besuchte ich den tauben Lobowitz, den Freund und Pathologen, der durch eine Doppelohrfeige seine Hörfähigkeit eingebüßt hatte. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte er sich damals in seinem geräuscharmen Kosmos recht wohnlich eingerichtet.
    Lobowitz machte einen sehr positiven Eindruck auf mich, hatte seine Arbeit als Pathologe wieder im Griff, hatte sich scheiden lassen (schuldig) und war neu verheiratet.
    Sein Hörapparat war ein Wunder der Technik.
    Wir saßen in der Küche, technisch ebenfalls perfekt, im teuren Herd brütete ein Römertopf ein Maishähnchen aus.
    Die Dame des Hauses, eine Elvira, mixte uns in einem eleganten Shaker aus Titan schmackhafte Cocktails von brisanter Kraft. L. sprach in erträglicher Zimmerlautstärke, ein erstaunliches Phänomen.
    Der Apparat sei ein Wunder, sagte er, man könne ihn komplett abschalten, dann sei wieder himmlische Stille, mit Emma (erste Frau) ging’s nicht mehr so gut, ich musste sie zu oft abschalten. Elvira, die spräche nicht so viel, sie habe auch nur einen Wortschatz von ca. 150 Wörtern, mit deren Hilfe sie alles bezeichnen könne, was in einer guten Ehe der Fall sei, und auch sie könne er im Notfall drahtlos abschalten, kurz, es sei ein Genuss zu leben, wie es mir ergangen sei –?
    Leidlich, sagte ich, nach einer Phase der Depression –
    Ach ja, sagte Lobowitz, die geistigen Störungen nehmen in dieser Zeit gewaltig zu – du kannst dir nicht vorstellen, was ich manchmal unter das Messer kriege … exotische Suizide, groteske Unfälle, ganz herrlich. Muss ich die Knochensäge benutzen, lieber Arthur, schalte ich einfach ab und teile dann die Stille mit den lieben Toten, ja das Geschäft läuft gut, ich will dich nicht mit Details langweilen.
    Der Ausdruck Geschäft irritierte mich.
    Du bist immer noch so naiv wie früher, sagte Lobowitz und ließ uns von seiner Blonden mit dem beengten Wortschatz einen neuen Cocktail mixen. Es handelte sich diesmal um einen phantastischen Stinger mit Brandy und Crème de Menthe in eisgekühlten Gläsern.
    Der tote Mensch, sagte Lobowitz, sei ein Ersatzteillager ohnegleichen … Häute, Knochen und Organe gehen an die Pharmaindustrie … allein die Hirnhäute, die Duren, fänden reißend Absatz, vor allem das Endprodukt Lyodura – schließt bei Gehirn- und Bauchoperationen die Löcher und ist in anderer Kombination auch für vollere Damenlippen brauchbar.
    Ja, mein Freund, sagte Lobowitz … die Dura mater ist nicht nur zu Lebzeiten kostbar.
    Elvira kniete sich vor den Herd und besprach sich kurz mit dem Römertopf; dabei summte sie das unsterbliche Lied Ein Hund kam in die Küche .
    Lobowitz fixierte aus grünen Katzenaugen ihr wohlgeformtes Hinterteil.
    Die Ausstattung des Menschen, sagte er nach ihrem Abgang, sei ein Wunder der Natur.
    Ich stimmte zu.
    Ich hatte Kopfschmerzen, wie Dr. Spoerri gesagt hätte: ‹Cephalgien klarer Genese›.
    Ja, und wie ist es dir ergangen, mein lieber Arthur, fragte der liebe Freund, dir und den Tieren und den Frauen und deiner Praxis, erzähl doch. Du sitzt herum, schweigst und trinkst …
    Mein bester Curt, sagte ich, als ich mich aus dem Geschäft mit Tier-Therapie zurückzog, lernte ich
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