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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel
Autoren: A. A. Fair
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Erstes Kapitel
    SMARAGDE SEHR GEFRAGT

    D er Mann, der Bertha Cool am Schreibtisch gegenübersaß, verzog sein Gesicht, als behage ihm der Geruch in unserem Büro nicht. Er trug die Miene eines sehr reichen Mannes zur Schau, der sich nur studienhalber in ein Elendsviertel begeben hat.
    Bertha strahlte mich an, als ich in ihrem Arbeitszimmer erschien. Ihr Besucher hingegen betrachtete mich, als habe er erwartet, jemandem zu begegnen, der ihm nicht besonders gefallen würde, und offensichtlich sah er keinen Anlaß, diese seine vorgefaßte Meinung zu ändern. Bertha benahm sich zuckersüß, ein sicheres Zeichen dafür, daß noch kein Honorar festgesetzt worden war.
    »Darf ich Sie mit meinem Geschäftspartner Donald Lam bekannt machen, Mr. Sharpies? Was ihm an Muskelkraft fehlen mag, ersetzt er durch Köpfchen. Donald, dies ist Mr. Harry Sharpies. Mr. Sharpies besitzt Bergwerke in Südamerika und wünscht, daß wir einen Auftrag für ihn übernehmen.«
    Bertha rückte ihre hundertfünfundsechzig Pfund in dem abgenutzten Drehstuhl hin und her, der quietschend protestierte. Ihr Gesicht lächelte immer noch, aber mit einem Augenzwinkern gab sie mir zu verstehen, daß sie in der Klemme sei und meine Hilfe brauche. Ich setzte mich.
    Sharpies sah mich an und sagte: »Es gefällt mir nicht.«
    Ich sagte nichts.
    »Genau betrachtet, komme ich mir wie ein verdammter Schlüssellochgucker vor«, fuhr Sharpies fort, aber in seiner Stimme lag kein ehrliches Bedauern. Er sagte das vielmehr im gleichen Ton wie jemand, der von sich behauptet: »Ich nehme nicht gern das letzte Stück von der Torte«, und es sich dann sofort auf den Teller legt. Bertha wollte etwas sagen, aber mit einem Blick hielt ich sie davon ab.
    Eine Weile herrschte Schweigen, bis Bertha es nicht mehr aushielt. Schnell holte sie tief Luft, und trotz meines warnenden Stirnrunzelns platzte sie heraus: »Dazu sind wir ja schließlich da.«
    »Ja, Sie sind dazu da«, sagte Sharpies und gab sich keinerlei Mühe, seine Geringschätzung zu verbergen. »Ich dachte dabei an mich selbst.«
    »Genau das sollten Sie auch tun«, bemerkte ich.
    Das veranlaßte ihn, mir seinen Kopf so ruckartig zuzuwenden, als sei er an einer Schnur herumgezogen worden. Er begegnete aber nur höflichem Interesse auf meinem Gesicht, das ich immer dann zeige, wenn es darum geht, einen geschäftlichen Besucher auf den Kern seiner Sache zu bringen.
    Wieder trat eine Pause ein.
    Sharpies hielt seinen Blick auf mich gerichtet. »Ich habe Mrs. Cool bereits alles erklärt«, sagte er. »Ihnen werde ich die wichtigsten Punkte noch einmal wiederholen. Ich bin einer der Testamentsvollstrecker der verstorbenen Cora Hendricks. Ihr Vermögen wird von Robert L. Cameron und mir für die Erben Shirley Bruce und Robert Hockley verwaltet. Es ist eine Art Vormundschaft. Können Sie sich vorstellen, was das ist?«
    »Ja, das kann ich.«
    Bertha mischte sich ein. »Mr. Lam hat Jura studiert und war Rechtsanwalt.«
    »Warum praktiziert er dann nicht?« fragte Sharpies.
    Bertha wollte etwas sagen, hustete aber nur.
    »Ich kam dahinter, daß das Gesetz Lücken aufweist, durch die sogar ein Mörder ungestraft entkommen kann«, sagte ich.
    »Und die Leiche nimmt er gleich mit, wie?« fragte Sharpies höhnisch.
    »Nein, so wiederum auch nicht. Es handelt sich schon um eine Art Meisterleistung. Aber der Berufungsbehörde gefiel es trotzdem nicht.«
    Sharpies sah mich forschend an. »Geht das tatsächlich?« fragte er.
    »Es ist wirklich möglich.«
    Neugierde und ein gewisser Grad von Respekt waren in seiner Stimme zu erkennen, als er sagte: »Das müssen Sie mir gelegentlich mal erzählen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Den Fehler habe ich einmal gemacht. Das war es nämlich gerade, was der Prüfungsinstanz nicht gefiel.«
    Er schwieg eine Weile und schien mich abzuschätzen. Dann fuhr er in seinen Erklärungen fort: »Nach den Bestimmungen des Testaments sind die Testamentsvollstrecker allein berechtigt, für die Zeit der Treuhänderschaft festzusetzen, wieviel Geld die Erben erhalten sollen. Die Treuhänderschaft endet, wenn der jüngste der Erben fünfundzwanzig Jahre alt wird. Dann soll der vorhandene Besitz zu gleichen Teilen unter die beiden Erben geteilt werden.«
    Wieder legte er eine Pause ein, und eine Weile herrschte allgemeine Stille.
    »Damit ist uns eine große Verantwortung übertragen worden«, fuhr Sharpies salbungsvoll fort.
    »Wie groß ist denn das Vermögen?« fragte Bertha, und ihre kleinen scharfen
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