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Traumtrunken

Traumtrunken

Titel: Traumtrunken
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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und ein ganzes Leben lang für ein Kind da zu sein. Es war doch schon schwierig genug für sie, allein zurechtzukommen!
    Die letzten Monate waren belastend gewesen. Und Kinder lösten doch keine Probleme! Allenfalls kamen neue dazu.
    Ihm waren von der Ferne die Hände gebunden. Michaela musste sich um alles selbst kümmern und Atze ahnte, dass das nicht gut gehen konnte. Sollte er ihr das so sagen?
    Er stand unter Strom. Es gab kein Zurück, dachte er sich. Er liebte sie, wollte sie nicht verlieren. Aber hatten sie eine Zukunft?
    Atze suchte ja nach Lösungen. Doch so einfach war das nicht.
    Er konnte doch nicht immer auf sie aufpassen!
    Seine Augen füllten sich mit Tränen und erschrocken merkte er, dass sein Blick beim Fahren nach innen gerichtet war. Er musste anhalten. Sofort.
    In rasantem Tempo fuhr er von der Autobahn. Augsburg Süd.
    Er hielt einen Moment am Straßenrand und versuchte, sich zu fassen.
    Hier war er nie gewesen. Bei dieser Gelegenheit würde er sich gleich mal die Stadt ansehen. Er brauchte unbedingt Ablenkung, bevor er doch noch auf dumme Gedanken kam.
    Naja, dachte Atze. Gegenüber einem Unfall war das noch das Harmloseste, was ihm passieren konnte.
    Wenn er nicht endlich aufhörte, an all die Probleme zu denken!
    Er lief an einer Buchhandlung vorbei und blieb vor dem Schaufenster stehen.
    Das letzte Buch hatte er gelesen, als er noch zur Schule ging. Danach war sein einziger Lesestoff der Fränkische Tag gewesen, den seine Mutter abonnierte, aber eigentlich nie las. Und heute holte er sich seine Informationen lieber aus Radio und Fernsehen.
    Atze war erstaunt, was die heutzutage alles in Buchläden verkauften. Glücksdosen, bunt bedruckte Taschentücher und Reise-Leselampen lagen in der Auslage.
    Atze wollte hineingehen, doch es war noch geschlossen. Er ging ein Stück weiter und sah hin und wieder zur Uhr.
    Als er zehn Minuten später den Laden betrat, schaute er sich um. Er wusste nicht so recht, was er suchte. Was Politisches vielleicht. Aber das war ihm alles zu extrem.
    Die dicken Bücher in den Regalen machten ihm Angst. Er nahm eines heraus, schlug es auf und blätterte die ersten Seiten durch.
    Er musste an Michaela denken, doch eine Frau, die sich in dem schmalen Gang an ihm vorbeidrängelte, schubste ihn aus seinen Gedanken.
    Atze schlug das Buch zu und stellte es weg.
    Er wollte den Laden schon fast verlassen, auch wenn er sich darüber ärgerte, dass er bei dem großen Angebot nichts Passendes fand. Da entdeckte er unter den Klassikern am Ausgang Moby Dick.
    Bisher wusste er nicht mehr von dem Buch, als dass irgendein Kapitän über die Meere zog, um den Walfisch zu töten, der ihm ein Bein vom Körper gerissen hatte.
    Atze wollte es schon als Junge lesen und griff zu.
    Auch nicht dünner, stellte er fest. Er überlegte kurz, sah nach dem Preis und nahm es mit.
    Auf dem Weg zur Kasse ging er an den Reiselichtern vorbei und nahm sich einen der kleinen Kartons.
    Am Buchdeckel festzuklemmen, las er. Praktisch.
    Wenn er schon Geld ausgab, dann richtig.
     
    ***

Am Donnerstagabend klingelte es oben an der Wohnungstür. Michaela war gerade erst vom Spielplatz zurück und wollte sich etwas zu Essen machen. Sie überlegte, ob sie öffnen sollte, lief zur Tür, versuchte, leise zu sein und sah durch den Spion. In der Hand hielt sie noch das Buttermesser.
    Da war keiner. Auch über die Sprechanlage antwortete ihr niemand.
    Es klingelte erneut, als sie in die Küche zurückging. Sie legte das Messer weg, wusch sich kurz die Hände und ging noch einmal in den Flur. Diesmal konnte sie etwas entdecken. Im ersten Moment freute sie sich über das, was sie dort sah, denn es konnte nur von Atze sein. Atze war da! Heute schon!
    Dann wurde ihr bewusst, wieso er es mitgebracht hatte und ihre Begeisterung legte sich.
    Sie öffnete die Tür. Auf der ersten Treppenstufe nach oben stand ein weißer Vogelkäfig. Recht aufgeweckt, auf einer der vier Stangen, lief ein kleiner gelber Vogel hin und her.
    „Na, was sagst du?“ Atze hatte sich neben der Wohnungstür versteckt und trat vor sie.
    „Süß.“ Mehr brachte Michaela nicht heraus.
    Atze nahm seine Tasche und den Käfig, küsste Michaela im Vorbeigehen und stellte den Vogel im Wohnzimmer auf den Tisch.
    „Du kommst heute schon?“
    „Ja, freust du dich?“ Atze sah Michaela erwartungsvoll an. Meinte er, über den Vogel?
    „Ja, schön“, sagte sie und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie setzte sich und beobachtete den
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